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„Die Nähe Gottes erfahren“

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann beim Pontifikalamt zum Tag der ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Caritas am 11. Juli 2013 im Würzburger Kiliansdom

Liebe Schwestern und Brüder,

der Heilige Kilian und seine Gefährten führen uns in dieser Wallfahrtswoche zusammen. Ihr Leben und Ihr Wirken übt auch noch nach mehr als 1300 Jahren eine Faszination auf uns aus, so dass tausende Menschen sich auf den Weg nach Würzburg machen, um ihnen für ihre Lebensleistung zu danken und sich von ihrem Wirken inspirieren zu lassen.

Diese Wallfahrtswoche steht unter dem Leitsatz: „Dein Angesicht, Herr, will ich suchen.“ Dieser Vers ist dem 27. Psalm entnommen. Gerade haben wir einen Teil von ihm in der Lesung gehört. Dieser Psalm wird dem König David zugeschrieben. Er besingt darin die Geborgenheit in Gott und bekennt, dass bei allen Schwierigkeiten dieses Lebens Gott der Herr der Geschichte bleibt, der auch die Fäden meines Lebens in der Hand hält. Neben der Hoffnung auf die göttliche Hilfe bringt David aber auch zum Ausdruck, dass er im Hause Gottes wohnen möchte.

Liebe Schwestern und Brüder,

Schwierigkeiten in diesem Leben kennen wir genug. Gerade Sie, die sich um unsere Mitmenschen kümmern, wissen um die Gebrechlichkeiten und Gefährdungen, um die Schmerzen und das Leid in unserem Leben. Sie sind heute in den Kiliansdom gewallt, um Ihre Erfahrungen, Ihre Belastungen und Ihre Anliegen vor Gott zu tragen, auf den wir – wie der Psalmist – unsere Hoffnung setzen. Mit diesem Beter dürfen wir uns aber im Blick auf unsere Frankenapostel auch jetzt in die offenen Hände Gottes fallen lassen. Möge diese Stunde uns innere Kraft und Zuversicht schenken. „Dein Angesicht, Herr, will ich suchen.“

Julius Kardinal Döpfner hat diesen Vers in der wenige Tage vor seinem plötzlichen Tod ausgestrahlten Radioansprache verwendet. Am kommenden 26. August wäre er 100 Jahre alt geworden. Sein ganzes Leben lang war Julius Döpfner, der am 26. August 1913 in Hausen bei Bad Kissingen geboren worden war und am 24. Juli 1976 sein Leben in die Hände Gottes zurückgegeben hatte, auf der Suche nach dem Angesicht Gottes. Papst Pius XII. hatte ihn am 11. August 1948 als Nachfolger von Bischof Matthias Ehrenfried zum Bischof von Würzburg ernannt. Er war mit 35 Jahren nicht nur der jüngste Bischof Europas, sondern auch einer der engagiertesten.

Mit Bedacht hatte er seinen Wahlspruch aus dem ersten Korintherbrief (1,23) gewählt: „Praedicamus crucifixum“ (Wir verkündigen (Christus), den Gekreuzigten). Die Menschen waren nach der Nationalsozialistischen Schreckensherrschaft und der Zerstörung durch den Zweiten Weltkrieg desillusioniert. Er gründete das Sankt-Bruno-Werk, das bis heute wertvolle Dienste leistet, mit dem Ausspruch „Wohnungsbau ist Dombau“.

Er liebte seine Heimat und nahm nur schweren Herzens Abschied, als er 1957 zum Bischof von Berlin ernannt wurde. Schließlich musste er 1961 noch einmal umziehen – nach München. Als Erzbischof von München und Freising wurde er nicht nur Vorsitzender der Freisinger Bischofskonferenz, sondern auch über viele Jahre Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Als einer der vier Moderatoren des Zweiten Vatikanischen Konzils wirkte er maßgeblich an dessen Beschlüssen mit und war dann auch Mitinitiator und Leiter der Würzburger Synode.

Wir haben ihm viel zu verdanken. Dieser Satz: „Dein Angesicht, Herr, will ich suchen“ dürfen wir als sein geistliches Vermächtnis übernehmen.

Wo suchen wir das Angesicht Gottes?

Der ewige, allmächtige Gott ist unsichtbar. Wir bekennen, dass er dreifaltig ist, d.h. doch ein Gott in drei Personen. Können wir uns das vorstellen? Nein! – Vater, Sohn und Heiliger Geist.

In Jesus Christus hat der unsichtbare Vater ein Gesicht bekommen. In Jesus von Nazareth können wir den unsichtbaren Gott sehen, hören, anfassen. Er hat zu uns von Gott als seinem und unserem Vater gesprochen. Er hat uns das Vaterunser gelehrt, das Gebet, das uns in die Herzmitte Gottes führt.

Der Heilige Geist, den wir am wenigsten erfassen können, ist das Liebesband in Gott. Er ist nur an seiner Wirkung zu erkennen: Er, Urgrund der Liebe, schafft Leben. Ihm verdanken wir uns alle. Durch ihn wird die aus der Lebenshingabe Jesu am Kreuz geborene Kirche am Pfingsttag eine lebendige Bewegung, die Gottes Liebe durch die Zeiten als Urgrund, Wegweisung und Auftrag erfährt.

Liebe Schwestern und Brüder,

am vergangenen Freitag hat Papst Franziskus die Enzyklika „Lumen Fidei“( Licht des Glaubens“ veröffentlicht, die uns aufhorchen lässt.

Er schreibt darin: „Wer sich der Liebe Gottes geöffnet hat, wer seine Stimme gehört und sein Licht empfangen hat, der kann diese Gabe nicht für sich behalten“ (LF 37). Mit dieser Feststellung eröffnet die Glaubensenzyklika die Notwendigkeit und die Möglichkeiten der Weitergabe des Glaubens. Der Glaube lebt davon, dass er gelebt, bekannt und weitergegeben wird. Denn da „der Glaube aus einer Bewegung innerhalb der Geschichte hervorgeht und unseren Weg in der Zeit erleuchtet, muss er durch die Zeiten hindurch weitergegeben werden“ (LF 38). Die besondere Not unserer Zeit – vor allem in der westlichen Welt – besteht im Nachlassen des Glaubens. Für die Weitergabe des Glaubens sind aber glaubwürdige und überzeugende Menschen nötig. Und das sind Sie!

Im Rahmen und Raum der Kirche sind besonders die Feiern der Sakramente wichtige Orte der Glaubensweitergabe. Der Glaube braucht die liturgische Feier und er braucht die caritative Tat, denn er ist mehr als nur eine Lehre, deren Inhalt und Idee weitergegeben werden müssten. So kommt auch den Sakramenten wesentliche Bedeutung für die Neuevangelisierung zu, ja das ganze Leben eines Gläubigen besitzt sakramentalen Charakter. „Die Wiederbelebung des Glaubens führt über die Wiederbelebung eines neuen sakramentalen Sinn des Lebens der Menschen und der christlichen Existenz. Dabei zeigt sich, wie das Sichtbare und Materielle sich auf das Geheimnis der Ewigkeit hin öffnen“ (LF 40).

Der Schluss der Enzyklika ist in besonderer Weise der sozialen Dimension des Glaubens gewidmet, denn der „Glaube ruft nicht nur eine innere Festigkeit wach, eine feste Überzeugung des Glaubenden; er erleuchtet auch die zwischenmenschlichen Beziehungen, weil er aus der Liebe kommt und der Dynamik der Liebe Gottes folgt“ (LF 50). Wirklicher Glaube äußert sich deshalb im „konkreten Dienst der Gerechtigkeit, des Rechts und des Friedens“ (LF 51). Christlicher Glaube kann deshalb nie Weltflucht sein. „Der Glaube entfernt sich nicht von der Welt und steht dem konkreten Einsatz unserer Zeitgenossen nicht unbeteiligt gegenüber […er wird] zu einem Dienst am Gemeinwohl“ (LF 51).

Die Enzyklika „Lumen Fidei“ ist ein großes Geschenk von Papst Franziskus, in dem er die Gedanken seines Vorgängers aufgreift und auf seine eigene Weise weiterführt. Sie ist ein inspirierendes Zeugnis des Glaubens zweier Päpste und macht Mut, den eigenen Glauben zu bedenken und zu vertiefen.

Für uns im Bistum Würzburg ist diese Enzyklika darüber hinaus noch aus einem anderen Grund ein großes Geschenk, fällt doch ihre Veröffentlichung zusammen mit unserer großen Wallfahrtswoche zu Ehren der Frankenheiligen Kilian, Kolonat und Totnan, deren Zeugnis den christlichen Glauben in unserer fränkischen Heimat grundgelegt hat. Der Heilige Vater ermutigt uns mit dieser Enzyklika, auch gerade in dieser Festwoche den Glauben zu bekennen, zu bedenken und zu vertiefen.

Liebe Schwestern und Brüder,

in all den Jahren meines pastoralen Dienstes bin ich vielen kranken, hilfs- und pflegebedürftigen und gebrechlichen Menschen begegnet. Und wann immer ich jetzt zu Visitationen in Dekanaten und Gemeinden unterwegs bin, ist es mir ein Anliegen, auch Einrichtungen zu besuchen, in denen alte Menschen leben.

Dabei erlebe ich immer wieder Menschen, die traurig und niedergeschlagen, manchmal sogar verbittert sind. Im Gespräch wird schnell klar, sie haben kaum Menschen, deren herzliche Zuneigung sie spüren dürfen. Sie werden vielleicht sogar professionell gepflegt, aber das Entscheidende, die herzliche Zuneigung, fehlt.

Andererseits erlebe ich Menschen, die allen Grund hätten, enttäuscht und niedergeschlagen zu sein, deren gesundheitlicher Zustand wirklich schlecht ist. Aber aus ihren Augen strahlt Freude und Dankbarkeit. Der Grund dafür ist die Zuneigung, die sie erfahren dürfen. Über den qualifizierten Pflegedienst hinaus wirkt da das Zeugnis der Menschenfreundlichkeit Gottes, das Sie mit Ihrer Nähe geben.

In dem Schreiben der deutschen Bischöfe „Berufen zur Caritas“ heißt es: „Bereits das wortlose Zeugnis aufrichtiger Nächstenliebe ist…“ (und dann wird Papst Benedikt zitiert, der in „Deus caritas est“ sagt): „…(die) stille, aber sehr kraftvolle und wirksame Verkündigung der Frohbotschaft.“

Deshalb danke ich Ihnen, dass Sie sich bewusst gemacht haben, dass über eine rein fachliche pflegerische Qualität hinaus es darauf ankommt, dass die Menschen durch Sie die Nähe Gottes erfahren können.

Wir dürfen das Antlitz Jesu auf ganz unterschiedliche Weise suchen: im Nächsten, der uns braucht; im Notleidenden; im Angesicht des Ehepartners und der Kinder. Wir begegnen dem Angesicht Jesu in der Heiligen Schrift, in der Feier der Liturgie, in der heiligen Kommunion.

Der große Heilige Thomas von Aquin dichtete: „Jesus, den verborgen jetzt mein Auge sieht, stille mein Verlangen, das mich heiß durchglüht; lass die Schleier fallen einst in deinem Licht, dass ich selig schaue, Herr, dein Angesicht.“ (GL 546)

Liebe Schwestern und Brüder,

haben wir schon einmal daran gedacht, dass vielleicht andere Menschen auch in uns das Angesicht Christi suchen? In Ihrem ehrenamtlichen caritativen Tun strahlt etwas von der Menschenfreundlichkeit und Güte Gottes auf. In der Offenheit füreinander, in dem Sichverschenken aneinander wird Gottes Liebe zu uns erlebbar, greifbar. So würdigt er uns, trotz all unserer Schwächen und Fehler, an seinem Schöpfungswerk teilzuhaben, das unser Heil zum Ziel hat.

Amen.