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Dokumentation

„Dieser Ort ist von Gott gemacht“

Predigt von Weihbischof Ulrich Boom beim Pontifikalamt zur Domkirchweih am Sonntag, 23. Oktober 2022, im Würzburger Kiliansdom

Ich war vor zwei Wochen mit einer Pilgergruppe auf dem Weg nach Santiago de Compostela. Wir sind gelaufen und mit dem Bus gefahren. Ich habe in den vergangenen Jahrzehnten gelernt, dass nicht das Mehr an Leistung zählt, sondern dass wir uns auf dem Weg machen mit den Fähigkeiten und Möglichkeiten, die der Einzelne hat. Zum Schluss gilt es anzukommen. Einmal in Santiago am Grab des heiligen Jakobus des Älteren und noch mehr in Finisterre, dem damaligen Ende der Welt. Wie haben die Alten gesagt: „Wer beim Apostel ist, ist noch nicht beim Herrn“. Da wo der Fels, der feste Grund ins Meer übergeht, wo nichts mehr hält und nur noch das Vertrauen zählt, da sind wir ganz beim Herrn, ja in Gott.

Es ist immer wieder beeindruckend wie viele und unterschiedliche Menschen unterwegs oder in der Pilgermesse sind. Alles Bilder für das pilgernde Gottesvolk und für das Haus Gottes, in dem jede und jeder Platz haben, in dem es für alle und alles eine Wohnung gibt. Welch ein Zuspruch, der uns in der Kirche geschenkt sein soll und der für alle Menschen gilt. Aber diese weltumfassende Weite strahlen wir nicht immer aus. Das war in der Vergangenheit nicht immer so und ist auch nicht gegenwärtig so.

Auf dem Camino de Santiago gibt es unzählige Kirchen: schlicht und einfach, glanzvoll und prächtig. Immer sind sie Bild für das Haus Gottes gegenwärtig und zukünftig, in der Ewigkeit. An der Kathedrale von Astorga, ich habe sie schon oft gesehen, fiel mir diesmal besonders das Hauptportal auf. Es ist im Tympanon nicht der wiederkommende Herr zu sehen und neben den Portalen, die Apostel, Propheten oder die klugen und törichten Jungfrauen. In Astorga ist es anders. Im schönsten spanischen Barock wird es vor Augen geführt. Rechts und links Szenen aus dem Evangelium. Auf der linken Seite: Jesus bei der Vertreibung der Händler aus dem Tempel (Joh 2,13-25). „Es kamen viele zum Glauben in seinem Namen, da sie die Zeichen sahen, die er tat“ (Joh 2,3). Auf der rechten Seite: Jesus und die Ehebrecherin mit den Schriftgelehrten und Pharisäern (Joh 8,1-11). „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie“ (Joh 8,7). „Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!“ (Joh 8,11). Wer das Haus Gottes betritt, soll wissen, dass hier keine Markthalle ist für die Geschäfte der Welt. Hier zählt nur die Gnade, ohne mein Leisten und ohne meinen Verdienst. Bei Gott bin ich geliebt und angenommen mit meiner Schuld und meinem Versagen. Hier treten alle als Sünder und Sünderinnen ein. Das ist Ermutigung und Mahnung zugleich.

Wo über dem Portal in der Regel das Weltgericht den Eintretenden empfängt, finden wir in Astorga eine Kreuzabnahme. Gott ist Mensch geworden, bis ans Kreuz, er wird ins Grab gelegt. Der Ewigferne ist für diese Welt der Zeitnahe geworden, vom Himmel hoch steigt er hinab in die Tiefen der Erde, in alle Untiefen des Lebens. In seinem Erdenleben hat Jesus dies gezeigt. Dargestellt ist dies rechts und links neben der Kreuzabnahme. Jesus berührt die Menschen und lässt sich von ihnen berühren, er kommt ihnen entgegen und hat gute Worte für sie. Das Portal von Astorga ist sozusagen die Ouvertüre für das, was den Menschen im Haus Gottes erwartet: Angenommen sein trotz aller Schuld, ohne unser Verdienst, allein aus Gnade.

Die Schriftlesung am heutigen Domkirchweihfest hat dies entfaltet. König Salomo spricht es aus in seinem Gebet: „Höre auf das Rufen und auf das Gebet … Halte deine Augen offen“ (1 Kön 8,28.29). Gott löst ein, was wir erhoffen. Er hat es uns gezeigt im Leben, Sterben und Auferstehen Jesu. Der Apostel unterstreicht dies im Brief an die Gemeinde von Korinth: „Einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist: Jesus Christus“ (1 Kor 3,11). Er hält uns selbst da, wo alles ins Wanken gerät und wir den Boden unter den Füßen verlieren. Im Evangelium schenkt Jesus den Menschen damals und uns heute diese Zusage: „Ich gebe ihnen ewiges Leben. Sie werden niemals zugrunde gehen und niemand wird sie meiner Hand entreißen“ (Joh 10,28). Dieser Zuspruch ist in jedem Gotteshaus ins Bild gesetzt. Es stimmt, was wir später hören: „Locus iste a deo factus est“ – „Dieser Ort ist von Gott gemacht“. Erhebend und verpflichtend zugleich. Bitten wir darum, dass wir dem entsprechen, wenn wir uns in seinem Haus versammeln und in der Welt Gottes Größe bezeugen. Amen.