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„Gott kümmert sich um jeden Einzelnen“

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann beim Pontifikalamt zum Jahresabschluss an Silvester, 31. Dezember, im Würzburger Kiliansdom

Liebe Schwestern und Brüder,

ein ereignisreiches Jahr geht zu Ende. Viele Höhen, aber auch Tiefen haben wir durchschritten. So will ich in wenigen Streifzügen zuerst das Negative, dann aber das Positive ansprechen.

Besonders erschrecken die fürchterlichen Attentate in Paris, Brüssel und Nizza, aber auch bei uns in einem Zug nach Würzburg, dann in Ansbach und schließlich auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin. Wir stehen fassungslos vor solchen Verbrechen, die zum Teil angeblich im Namen Gottes begangen werden und dabei die Religion zum eigenen Gefährt für ihre abscheulichen Gedanken machen.

Weltweit werden zurzeit die Christen am meisten verfolgt. Papst Franziskus sagte vor wenigen Monaten: „Christen werden heute schlimmer verfolgt als im alten Rom. Sie werden verfolgt, weil sie ein Kreuz tragen und Christus bezeugen; sie werden verurteilt, weil sie eine Bibel besitzen.“ Auf mehr als 100 Millionen werden die verfolgten Christen geschätzt. Viele davon kommen aus dem Nahen Osten und suchen bei uns Schutz und Geborgenheit. So bereitwillig wir sie aufnehmen wollen, so sehr müssen wir doch erkennen, dass ihre Heimatländer geradezu von Christen „gesäubert“ werden. Allein aus dem syrischen Aleppo ist die Zahl der Christen von 400.000 auf unter 50.000 gesunken.

Neben der Christenverfolgung durch islamistischen Extremismus in Ländern mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit werden die Christen auch in kommunistischen Staaten und Diktaturen verfolgt. Dabei sind Nordkorea, Vietnam oder China ebenso zu nennen wie afrikanische Staaten südlich der Sahara, wo Boko Haram wütet.

Wir dürfen sicherlich die Hinrichtung tausender Christen im Irak und in Syrien im letzten Sommer oder im Libanon und Nigeria nicht einfach stillschweigend hinnehmen. Aber wir dürfen auch nicht Hass mit Hass beantworten. Die Weihnachtsbotschaft lautet: „Frieden auf Erden den Menschen guten Willens!“

Es bleibt deshalb auch ein Gebot der Stunde, die vielen Flüchtlinge bei uns weiter zu betreuen und so weit wie möglich zu integrieren. Es kann den vielen Helferinnen und Helfern, aber auch der Polizei und allen Ordnungskräften nicht genug für ihren Einsatz gedankt werden!

Wir brauchen uns nicht vor dem Islam zu fürchten. Unsere christliche Botschaft ist wahr und eine Botschaft, die wirklich Frieden, Gerechtigkeit und Wohlergehen für alle Menschen ermöglicht.

Am ersten Weihnachtstag war ich beim Mittagessen in der Posthalle, das von der Gemeinschaft Sant‘Egidio für mehr als 1000 Menschen aus mehr als 80 Staaten ausgerichtet war. Hier konnte man ein Fest des Friedens und der gelungenen Integration zwischen Muslimen, Juden und Christen erleben. Das muss unser Ziel sein: Frieden auf Erden den Menschen guten Willens!

Leider müssen wir feststellen, dass in diesem Jahr 32 Kriege und bewaffnete Konflikte die Welt in Atem hielten. Der Krieg in Syrien forderte die meisten Menschenleben. Aber auch im Jemen und im Südsudan ist die jetzige Situation weiterhin dramatisch.

Doch es gibt auch das Positive, das 2016 kennzeichnet: Das Jahr der Barmherzigkeit, das Papst Franziskus am 8. Dezember 2015 als außerordentliches Heiliges Jahr ausgerufen hatte, ist zu Ende gegangen. Viel Segen ist von dieser Initiative ausgegangen. Menschen haben sich wieder auf ihre christlichen Wurzeln besonnen, eine Vertiefung des Glaubens und der praktizierten Nächstenliebe war allenthalben zu spüren. Auch die Beichtväter – zum Beispiel bei den Franziskanern – sagten, dass die Beichten wieder zugenommen hätten.

Ich selber durfte Ende Januar als Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz dem Eucharistischen Weltkongress auf den Philippinen beiwohnen. Dies war ein besonderes Glaubenserlebnis, da zum Beispiel die Eucharistische Prozession durch die Stadt Cebu mehr als anderthalb Millionen Menschen begleiteten.

Die Eröffnung der Misereor-Aktion wurde in diesem Jahr im Fernsehen aus dem Würzburger Dom übertragen.

Der Katholikentag in Leipzig hat ebenso wie die Kiliani-Festwoche und der Weltjugendtag in Krakau viele Menschen erreicht und zum Nachdenken und zur Umkehr gebracht.

Am 4. September konnten die Benediktiner auf 1200 Jahre segensreiches Wirken in der Abtei Münsterschwarzach zurückblicken. Wir Menschen sind ausgestreckt zwischen dem Heute und dem Morgen, zwischen dieser unserer Erde und der uns verheißenen Gottesherrschaft. Man könnte sagen: Wir sind Wanderer zwischen zwei Welten. Und genau das gehört zum Kernstück der wechselnden Geschichte dieses Klosters. Obwohl die äußeren Umstände Auf- und Niedergänge verzeichnen, macht die innere Mitte dieser Abtei das Bestreben aus, das Flüchtige unseres Daseins in die zeitlose, beständige Gegenwart Gottes hinein zu öffnen.

Ein weiteres großes Ereignis war die Seligsprechung des Mariannhiller Paters Engelmar Unzeitig am 24. September. Pater Engelmar lebte die Menschlichkeit in der Unmenschlichkeit der Hölle von Dachau. Er meldete sich freiwillig, um an Typhus erkrankte Häftlinge zu pflegen, obwohl er wusste, dass er sich dabei selbst anstecken und sterben würde. So ist es dann auch gekommen. Am 2. März 1945, einen Tag nach seinem 34. Geburtstag, starb der Engel von Dachau, wie er genannt wird. Seine Seligsprechungsfeier wurde zu einem internationalen Fest des Glaubens und der Hoffnung und der Vergewisserung unseres Glaubens an das ewige Leben.

Im Oktober feierten die Ursulinen, die schon über 300 Jahre in Würzburg tätig sind, den Abschluss ihrer großen Renovierung des gesamten Geländes des Ursulinenkonvents mit 78 Klassenzimmern, einem Meditationsraum und Kräutergarten.

Die Wiedereröffnung der Peterer-Kirche nach einer grundlegenden Renovierung war ein weiteres Highlight.

Noch vieles gäbe es aufzuzählen: Priester- und Diakonenweihe, Sendung der Pastoralreferentinnen und
-referenten, Beauftragung zum Religionsunterricht, Aufnahme unter die Katechumenen und so weiter. Aber lassen wir es hiermit bewenden.

Für nächstes Jahr, das auch für so manchen von Ihnen, für die Ritaschwestern im Bischofshaus und für mich voraussichtlich eine große Veränderung mit sich bringen wird, habe ich als Jahresmotto einen Vers aus dem 145. Psalm ausgewählt, den Sie vielleicht aus eigenen Lebenserfahrungen bestätigen können: „Nahe ist der Herr allen, die ihn rufen.“ (V. 18a)

Dieser Vers ist ein kühner Ausdruck des Vertrauens in Gott wie der ganze Psalm 145 überhaupt. Er ist ein einziges Lob Gottes, das am Ende des fünften und letzten Psalmenbuches überleitet zum großen Hallel. Es ist ein Lob Gottes trotz so mancher Ängste, Sorgen, Enttäuschungen, die uns in Kirche und Gesellschaft plagen. Gerade jene Psalmverse, in die das Jahresmotto eingebettet ist (V. 17-20), sprechen davon, dass Gott sich nicht nur um die Welt oder sein Volk, sondern um jeden Einzelnen kümmert. Er bleibt in steter Rufbereitschaft für einen jeden. Jeder ist tatsächlich bei ihm aufgehoben.

Dieser Psalmvers ist der krasse Gegensatz zu dem, was einmal Bert Brecht in einer Parodie meinte sagen zu müssen: „Lobet von Herzen das schlechte Gedächtnis des Himmels ...!“ Wenn uns jemand vergisst, dann nicht Gott.

Dieser Psalm 145, einer der jüngsten Psalmen – wohl aus dem dritten vorchristlichen Jahrhundert – scheint einer der Lieblingspsalmen Jesu selbst gewesen zu sein. So legt uns der Jahresleitsatz 2017 ans Herz, was wir in allem Planen und bei aller Sorge um die Zukunft der Kirche, aber auch in den Anliegen unseres eigenen Lebens zuerst im Blick haben müssen: den direkten Kontakt zu Gott im Gebet.

Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn, dessen 400. Todestag (13.09.1617) wir im nächsten Jahr mit Feiern und Ausstellungen gedenken, hatte diesen Psalmvers im Vorwort zum Würzburger Brevier (Breviarum Herbipolense) als Aufruf zur geistigen Aufmerksamkeit beim Gebet einbezogen.

Wenn im nächsten Jahr die evangelischen Kirchen 500 Jahre Reformation feiern, dann können wir im Blick auf die Einheitsbitte Jesu neben der betrüblichen Spaltung doch auch das Gute in den Blick nehmen, das uns durch die Reformation geschenkt wurde: zum Beispiel das nicht immer leicht zugängliche, aber vertiefte Verständnis des Wortes Gottes in unseren Heiligen Schriften, die lebendige Gestaltung der Liturgie durch deutsche Lieder, das gewachsene ökumenische Miteinander – auch über die christlichen Konfessionen hinaus – und überhaupt die neu geweckte Bereitschaft, sich den Fragen des heutigen Menschen zu stellen und darin den Anruf Gottes zu entdecken.

Gehen wir so voll Dankbarkeit und Vertrauen in das kommende Jahr. Gott ist und bleibt der Herr der Geschichte. Und vergessen wir nicht: „Nahe ist der Herr allen, die ihn rufen.“

Amen.