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Dokumentation

Sieben Haltungen des hörenden Herzens

Predigt von Bischof Dr. Franz Jung beim Pontifikalgottesdienst zur Eröffnung der Kiliani-Wallfahrtswoche am Sonntag, 3. Juli 2022

Salomo und sein Vater David

Salomo steht am Beginn einer neuen Zeit. Die Vergangenheit und der Übervater David lasten schwer auf ihm. Die Erwartungen sind hochgesteckt. Wird der junge Salomo in die großen Fußstapfen seines Vaters David treten können? Man kann sich die Drucksituation lebhaft vorstellen und die schlaflosen Nächte, die es Salomo in den ersten Tagen seines Herrschaftsantritts gekostet hat.

Ein hörendes Herz als Lösung

Mitten in diesem Stress überkommt Salomo der Schlaf, dessen schönste Frucht ein Traum ist. Kein geringerer als Gott selbst erscheint ihm und stellt ihm einen Wunsch frei. Mit traumwandlerischer Sicherheit wünscht sich Salomo das Richtige. Ein hörendes Herz soll es sein. Salomo macht sich im Traum frei von den Erwartungen und Ansprüchen, die ihn schier erdrücken.

Kirche am Beginn einer neuen Zeit

Auch wir stehen am Beginn einer Zeitenwende. Die Frage, die den jungen Salomo umtreibt, bewegt auch uns. Was heißt es, heute Kirche zu sein? Und welche Erwartungen stehen im Raum? Soll man an die Erfahrungen der Hochzeiten der Volkskirche anknüpfen? Und falls nicht: Wie müsste Kirche dann wirken?

Auch das ist eine Drucksituation, das spüren wir allenthalben.

Angesichts dessen hat der Wunsch des Salomo bis heute nichts von seiner Gültigkeit verloren. Das hörende Herz ist in der aktuellen Umbruchssituation vielleicht notwendiger denn je. Doch wofür steht das hörende Herz in einer sich wandelnden Kirche? Wofür steht das hörende Herz, wenn wir als Kirche von Würzburg in unserer Vision sagen, dass wir unser Christsein leben wollen nicht als Elite, die sich abgrenzt, sondern als „Christsein unter den Menschen“?

Sieben Haltungen zeichnen das hörende Herz aus, die den sieben Gaben des Heiligen Geistes entsprechen.

1. Sich ein eigenes Bild verschaffen ohne sich den Erwartungen einfach zu beugen

Menschen mit einem hörenden Herzen nehmen die Erwartungen wahr, die gerade bei einem Generationenwechsel im Raum stehen. Aber sie beugen sich nicht den Ansprüchen, die an sie gestellt werden. Sie wollen nicht einfach das Frühere nahtlos fortführen. Vielmehr verschaffen sie sich wie Salomo selbst ein Bild von dem, was jetzt ansteht und was zu tun ist. Neue Zeiten verlangen nach neuen Maßnahmen und neuen Initiativen. Deshalb gilt es auch jetzt wie Salomo neu hinzuhören.

In unserer Bistumsvision unterstreichen wir, „dass wir als Christinnen und Christen auf den Gott des Lebens vertrauen, der uns neue Horizonte öffnet und uns in die Zukunft führt.

Der Geist der Weisheit hilft dabei, dieses Neue-Hinhören einzuüben.

2. Sich beraten lassen

Wer für andere Verantwortung trägt, tut gut daran, hinzuhören, wie diese die Lage beurteilen. Das hörende Herz baut nicht nur auf die eigene Intuition, sondern rechnet damit, dass auch andere etwas Hilfreiches beizutragen haben. Denn erst die Vielfalt der Perspektiven ergibt ein umfassendes Bild der Wahrnehmung von Wirklichkeit. Die Beratung aller zusammen hilft zur Sichtung, Unterscheidung und Entscheidung.

Der Beratungsweg der Weltbischofssynode zur Synodalen Kirche und die Beratungen beim Synodalen Weg dienen genau diesem Ziel: Alle Getauften sind in die Beratungen miteinzubeziehen, um einsame Entscheidungen zu vermeiden, die am Ende nicht zielführend sind. In unserer Bistumsmission haben wir das so formuliert:

Was alle betrifft, entscheiden wir im Hören aufeinander“.

Der Geist des Rates verhindert, dass man sich nur auf das eigene Urteil verlässt.

3. Kritikfähigkeit

Menschen mit einem hörenden Herzen nehmen Kritik entgegen, sofern sie konstruktiv und angemessen vorgetragen wird. Auch wenn es bisweilen weh tut, wenn es am Selbstbild kratzt und wenn man sich missverstanden fühlt: das hörende Herz nimmt die Störungen wahr, rechnet mit eigenen Fehleistungen und weiß, dass man immer noch besser werden kann und besser werden muss. Die ehrliche Rückmeldung hilft, das gut Gemeinte vom wirklich Guten zu unterscheiden.

Wenn wir uns als „Gemeinschaft von Gemeinschaften an verschiedenen Orten und auf verschiedenen Ebenen“ verstehen, wie wir es in unserer Bistumsmission formuliert haben, werden wir ausloten müssen, welche Spielräume sich hierbei auftun jenseits verbindlicher Regelungen und Standards. Dazu wird es der kritischen Rückmeldungen bedürfen, um gemeinsam gute Regelungen zu treffen.

Der Geist der Einsicht befähigt uns dazu, Kritik nicht als etwas Böswilliges abzuqualifizieren, sondern sie als hilfreiche Korrektur wahr- und ernstzunehmen.

4. Über den eigenen Kirchturm hinausschauen

Christsein unter den Menschen“ bedeutet als Mission, über den eigenen Kirchturm hinauszuschauen. Wir „stehen Menschen in Not, Ohnmacht und Leid bei und helfen mit, dass sie ihren Nöten entkommen können; wir achten alle Menschen in ihrer Würde und ihrer Lebenswirklichkeit; wir arbeiten mit Menschen aus anderen Konfessionen, Religionen oder Gruppen in unserer Gesellschaft zum Wohle aller zusammen.“ So heißt es eindrücklich in der Formulierung unserer Mission als Bistum.

Dazu bedarf es einmal mehr des hörenden Herzens. Es nimmt die Nachrichten unserer Umwelt bewusst wahr. Es hört heraus, auf welche Fragen jetzt eine Antwort gegeben werden müsste. Und es hört nach, welche gesellschaftlichen Kräfte, Gruppierungen und Initiativen als Unterstützer angefragt werden könnten. Als Kirche unter den Menschen verstehen wir uns als Sakrament des Heils, als wirksames und sichtbares Werkzeug Gottes, um diese Welt im Sinne des Reiches Gottes zu gestalten.

Der Geist der Erkenntnis öffnet uns die Augen für die Nöte der Menschen, mit denen wir gemeinsam arbeiten wollen für eine Veränderung der gesellschaftlichen Gegebenheiten, so dass alle davon profitieren.

5. Beherzt Neues beginnen in der Hoffnung, weiter geführt zu werden

Menschen mit einem hörenden Herzen wagen beherzt neue Schritte. Auch wenn diese zunächst in eine nicht absehbare Zukunft führen, gibt doch das hörende Herz die Zuversicht, immer neue Wegweisung zu erhalten und des Weges geführt zu werden, den man gewählt hat. Dem hörenden Herzen entsprechen Experimentierfreude und der Mut zum Wagnis. Das betont auch unsere Bistumsmission, in der es heißt, dass wir die Menschen geradezu ermutigen, „die Nachfolge Jesu in unterschiedlichen Formen von Gemeinschaft und eigener Religiosität zu gestalten.“

Der Geist der Stärke befähigt uns dazu, neu zu beginnen und die alten Pfade zu verlassen.

6. Das hörende Herz hält jung

Wer sich ein hörendes Herz bewahrt, lernt, in Spannungen zu leben und diese auszuhalten. Er weiß um die Bedeutung der Tradition, aber er weiß auch, dass sie zum Traditionalismus erstarrt, wenn sie nicht fortgeschrieben wird. Er freut sich am Einsatz aller Kräfte, aber er schätzt auch die Zeiten der Einkehr und der Stille, die vor einem blinden Aktionismus bewahren. Er kennt den Wert professioneller Sachkenntnis und weiß doch um die Kompromisse, die jede Umsetzung in der Praxis mit sich bringt. Er sieht die großen Linien und verliert dennoch das Detail nicht aus dem Blick.

Der Geist der Frömmigkeit bewahrt uns vor der inneren Erstarrung und hält uns dazu an, die Spannungen in jedem Veränderungsprozess auszuhalten. Er treibt uns an, uns immer neu nach dem lebendigen Gott auszustrecken. Nichts Anderes meint unsere Mission, wenn es dort heißt: „Wir verweisen durch unser Leben auf den Gott des Lebens!“

7. Das hörende Herz im Gottesdienst der Kirche

Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet nicht euer Herz!“ Mit dieser Mahnung aus Psalm 95 beginnt jeder Tag im Leben der Kirche. Dieses „Heute“ ist immer dann, wenn die Kirche Gottesdienst feiert. Dann stellt sie sich bewusst in die Gegenwart des Herrn. Dann hört sie die Worte der Heiligen Schrift nicht als Zeugnisse einer vergangenen Zeit. Vielmehr erinnert sie das „Heute“ daran, jetzt die Weisung Gottes zu hören als Impuls zur Umkehr.

Der Geist der Gottesfurcht schärft unsere Aufmerksamkeit für Gegenwart des Herrn im Gottesdienst. Er leitet uns an, so Gottesdienst zu feiern, dass die Stimme des Herrn im Heute auch vernehmbar wird und nicht einfach ungehört verhallt.

Der Geist Gottes ermutigt uns, die Welt gemäß der Frohen Botschaft zu gestalten“, sagt nicht umsonst auch unsere Mission als Bistum.

Die Frankenapostel als Vorbilder für das „Christsein unter den Menschen“

Wir stehen bei unseren Bemühungen um einen Neubeginn wahrlich nicht alleine. Dankbar dürfen wir an Kiliani auf unsere drei Frankenapostel schauen.

Schon lange vor uns haben sie gezeigt, was es heißt, neu zu beginnen und Kirche zu gestalten.

  • Mutig haben sie ihre angestammte Heimat aufgegeben, um der Verheißung des Reiches Gottes nachzugehen und einen Neuanfang zu setzen.
  • Sie wollten keine Alleingänge, sondern haben sich der Einheit mit Rom versichert und suchten vom Papst die Bestätigung für ihren Missionsauftrag.
  • In der Sprache des Volkes wollten sie das Evangelium verkünden, um sich verständlich zu machen und den Glauben in die Lebenswelt der Menschen hinein zu verkünden, ohne über die Köpfe der Leute hinweg zu reden.
  • Sie waren erfüllt von der Überzeugung, dass der Glaube das Leben bereichert und die Gesellschaft insgesamt weiterbringt und nicht nur der Ausbreitung der Kirche dient.
  • In einer Minderheitensituation, als „Christen unter den Menschen“, haben sie unverzagt verkündet, denn sie vertrauten auf die Kraft ihrer Botschaft.
  • Mit großer Entschiedenheit haben sie mit ihrem Leben bezeugt, was sie in Worten gepredigt haben und gerade dadurch die Menschen überzeugt.

Ihrem Vorbild sind wir verpflichtet. Mit einem hörenden Herzen wollen wir ihrem Beispiel folgen und uns unter ihren Segen stellen! Amen.