Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

Dokumentation

„Das Kind in der Krippe nimmt auch uns in Verantwortung“

Predigt von Bischof Dr. Franz Jung in der Christmette am Samstag, 24. Dezember 2022, im Würzburger Kiliansdom

Sehnsucht nach Licht angesichts des Krieges

Das Volk, das in der Finsternis ging, sah ein helles Licht;
über denen, die im Land des Todesschattens wohnten, strahlte ein Licht auf.

Sehnsucht nach Licht, das ist es, was viele Menschen in diesen Tagen umtreibt. Sehnsucht nach einem Lichtblick. Denn wohin man momentan auch schaut, sieht es eher finstern aus. Es ist vor allem der furchtbare Krieg in der Ukraine, der uns Angst macht.

Wie lange wird er wohl noch lange anhalten? Wird man den Konflikt begrenzen können oder droht er, zu einem Flächenbrand zu werden? Wir spüren, dass wir schon mehr in diesen Krieg involviert sind, als uns lieb sein kann. Nicht nur durch die Unterstützung eines Volkes, das um seine Freiheit kämpft, sondern auch durch die Menschen, die bei uns Zuflucht suchen, um den Grauen des Krieges zu entkommen.

Es gibt keine regionalen Konflikte in der globalen Welt

Einmal mehr wird uns nach der Erfahrung der Pandemie bewusst, dass es in der globalen Welt keine regionalen Konflikte mehr gibt. Ein Krieg an einem Ort dieser Welt, mag er auch fern von uns scheinen, berührt uns unmittelbar. Seine Folgen erreichen die ganze Menschheit: seien es Weizenlieferungen nach Afrika, sei es die Energieknappheit in Europa, seien es die Unterbrechung der Lieferketten weltweit. Der ferne Krieg ist uns näher als uns lieb sein kann. Düstere Aussichten.

Messianische Gegendarstellung

Da klingt es wie eine offizielle Gegendarstellung, wenn der Prophet Jesaja in einer Vision schaut, dass das Volk in der Finsternis ein helles Licht sieht.

Das ist kein Zweckoptimismus, der nur künstliches Licht wäre und im Letzten Selbstbetrug. Das ist auch keine haltlose Behauptung, die der Überprüfung nicht standhielte. Das ist auch keine Verdrehung der Wahrheit inmitten der vielen Falschmeldungen von allen Kriegsparteien, um eine Einigung vorzuspiegeln, die es nicht gibt.

Nein, die Gegendarstellung des Jesaja ist die Wahrheit. Denn an Weihnachten leuchtet in der dunkelsten Nacht des Jahres ein Licht auf. Es ist kein menschengemachtes Licht, sondern ein Licht, das von Gott kommt. Dieses Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst (Joh 1,5), sagt der Evangelist Johannes. In der Tat, weil es nicht von Menschen kommt, können Menschen es auch nicht auslöschen. Dieses Licht erhellt die Nächte unseres Lebens. Es ist unser Lichtblick an Weihnachten und unser Trost.

Das Ende der Gewalt

Denn sein drückendes Joch und den Stab auf seiner Schulter, den Stock seines Antreibers zerbrachst du wie am Tag von Midian.
Jeder Stiefel, der dröhnend daherstampft, jeder Mantel, im Blut gewälzt, wird verbrannt, wird ein Fraß des Feuers.

Gott setzt nicht auf Gewalt und Krieg. Die Kriegstreiber werden entmachtet. Das Joch des Krieges, unter das man die Völker dieser Welt zwingt, wird zerbrochen. Soldatenstiefel und Soldatenmäntel wirft man ins Feuer zum Zeichen dafür, dass sie ihren Dienst getan haben. Denn das Reich des Messias, das Jesaja sieht, baut nicht auf Gewalt und gründet sich nicht auf Unterdrückung.

Gott kommt als wehrloses Kind – mitfühlend und verletzlich

Denn ein Kind wurde uns geboren, ein Sohn wurde uns geschenkt.
Die Herrschaft wurde auf seine Schulter gelegt.

Gott, der Schöpfer und Herr der Welt, kommt als kleines Kind. Als wehrloses Kind liegt er in einer Krippe. Ein einfacher Stall dient ihm als Residenz. Er braucht keine Bunker und kommt ohne Security. Er zeigt sich als verletzlicher Mensch.

Als verletzlicher Mensch schottet er sich nicht ab vom Leiden seiner Mitmenschen. Er muss sich nicht abhärten beim Anblick der Opfer wie die irdischen Potentaten, die die Verluste von Menschenleben billigend in Kauf nehmen. Denn er kommt nicht, um andere zu opfern für seine Zwecke. Er selbst beginnt, sich ganz einzusetzen für eine gewaltlose Veränderung der Welt. Das rechtfertigt die Ehrentitel, die dem göttlichen Kind beigelegt werden.

Wunderbarer Ratgeber – der Ja sagt zu einer Welt im Argen

„Wunderbarer Ratgeber“ wird das Kind genannt. Denn der Ratschluss, in diese Welt zu kommen, ist in der Tat wunderbar. Gerade in Situationen des Konflikts haben wir den Eindruck, Gott habe sich von der Welt verabschiedet und überließe sie ihrem Elend.

Das Gegenteil ist wahr. Jesus ist der „Immanuel“, der Gott mit uns, auch gerade in der Finsternis. Sein Ja zur Welt ist unverbrüchlich und wir brauchen es in diesen Tagen mehr denn je als Kraft, die der Verzweiflung wehrt.

Starker Gott – ohne einzuknicken vor der Versuchung zur Gewalt

„Starker Gott“ nennt man das schwache Kind in der Krippe. Der starke Gott knickt nicht ein vor der Übermacht der Gewalt. Er ist sich seiner Sache sicher. Jesus wird in seiner Predigt konsequent immer wieder die Gewaltlosigkeit anmahnen (Mt 5,38f.). Noch in seiner Passion weigert er sich, Gewalt anzuwenden (Mt 26,53).

Er vertraut darauf, dass das Leben Gottes den Tod besiegt. In der Tat ist eine solche Stärke göttlich, denn die Versuchung, bei der Gewalt seine Zuflucht zu suchen, ist groß. Der starke Gott macht uns stark.

Vater in Ewigkeit – oder Kinder des Bösen

„Vater in Ewigkeit“ wird Gott an Weihnachten genannt, weil er uns in Christus als seine Kinder annimmt. Wer diesen Jesus aufnimmt in sein Herz, dem gibt Gott die Macht, Kinder Gottes zu werden (Joh 1,12), Kinder Gottes, die den Willen des Vaters im Himmel erfüllen.

Jesus wird im Johannesevangelium drastisch sagen, dass es kein Mittleres gibt. Entweder ist man Kind Gottes, oder aber man steht mit dem Bösen im Bund (Joh 8,44). Und der erste Johannesbrief sagt, wer nicht vom himmlischen Vater abstammt, der stammt von Kain ab, dem Brudermörder (1Joh 3,8.12). Der Mensch muss sich an Weihnachten entscheiden, zwischen Gott und dem Bösen. Neutralität wird nicht gewährt. Wer seinen Bruder und seine Schwester nicht liebt, der verbleibt im Hass.

Fürst des Friedens – Kenner der Quellen des Unfriedens

Das göttliche Kind heißt „Fürst des Friedens“, weil es Himmel und Erde miteinander versöhnt. Der Fürst des Friedens weiß aber auch um die Ursachen der Gewalt.

    • Er kennt den verletzten Stolz, der auf Rache sinnt.

    • Er weiß um die Macht der Angst, die unberechenbar macht.

    • Er kann den Schmerz von Verletzungen nachvollziehen, die den Durst nach
      Wiedergutmachung nach sich ziehen.

    • Er ist vertraut mit der Hinterlist, die meint, andere übertölpeln zu können.

        • Er sieht, welche Gefahren es birgt, wenn man nur den kurzfristigen Erfolg im Blick hat und die  
          weiteren Konsequenzen des eigenen Tuns nicht bedenkt.

    • Er kennt das Gefühl der Ohnmacht, das umschlägt in rohe Gewalt.

    • Ihm ist auch die Beschämung durch den drohenden Statusverlust nicht fremd, die zur Abwertung anderer führt.

Insofern ist es wahr, was der Prophet Jesaja vom immerwährenden Friedensreich des Messias sagt: es gründet „auf Recht und Gerechtigkeit“. Anders wird der Friede, den Gott schenkt, nicht Wirklichkeit werden.

Gottes heiliger Eifer – nimmt uns in die Pflicht

Der Eifer des HERRN der Heerscharen wird das vollbringen.

Der Eifer des Herrn ist kein blindwütiger Eifer. Gott ist kein Eiferer, der die Menschen gegeneinander aufwiegelt. Der Eifer des Herrn sucht den Frieden.

Das Kind in der Krippe nimmt aber auch uns an Weihnachten in die Verantwortung. Auch wir sollen Eiferer für den Frieden werden,

    • Indem wir auf die Ungerechtigkeiten in der Welt hinweisen.

    • Indem wir mitfühlen mit den Leiden derer, die ausgegrenzt werden und ihren Schmerz an uns heranlassen.

    • Indem wir uns um einen Ausgleich der Interessen bemühen.

    • Indem wir Verletzungen heilen und die Erinnerung an Gewalt und Unrecht wachhalten, um eine Wiederholung möglichst auszuschließen.

    • Indem wir unermüdlich auf den Verhandlungsweg setzen, weil im Krieg alle Verlierer sind und es keine Gewinner gibt.

    • Indem wir der Opfer von Gewalt und Krieg gedenken und uns um Versöhnung bemühen.

    • Indem wir als Kirche Jesu Christi keinen Krieg dieser Welt rechtfertigen, sondern nicht müde werden, darauf hinzuweisen, dass mit der Berufung auf Gott keine Kriege geführt werden können.

Das Friedensangebot annehmen

Weihnachten ist das große Friedensangebot Gottes an die Welt. Dieser Friede ist Wirklichkeit. Ob er auch für uns Wirklichkeit wird, hängt an uns selbst. Denn Gott sucht die Menschen seiner Gnade, die dem Frieden vom Himmel den Weg auf Erden bereiten.

Verdunkeln wir nicht das helle Licht der Weihnacht, das uns aufgestrahlt ist. Dann macht Gott auch unsere Finsternis hell. Dass es hell werde auch in ihren Leben, das wünsche ich Ihnen von ganzem Herzen an diesem Weihnachtsfest. Frohe Weihnachten Ihnen allen!