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Dokumentation

„Das Lamm ist ein Bild des Vertrauens“

Predigt vom Weihbischof Ulrich Boom beim Konventamt am Sonntag, 15. Januar 2023, im Würzburger Kiliansdom

In unserem Dom ist das Wort des Täufers Johannes im heutigen Evangelium ins Bild gesetzt: „Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt!“ (Joh 1,29). Wie bei einem Fluchtpunkt läuft alles auf das Lamm Gottes hin. Zwischen dem wiederkommenden Herrn und dem heiligen Kilian in der Schar der Heiligen, zwischen dem Himmel mit der Dreieinigkeit, den Zeugen des Glaubens und auf Erden mit dem versammelten Gottesvolk. Am Eingang des Domes steht der siebenarmige Leuchter, die Menora. Sie erinnert an den Bund Gottes mit seinem Volk Israel und seine Verheißungen für alle Menschen. In der Apsis ist das apokalyptische Lamm zu sehen, es ist Hinweis darauf, dass Gott am Ende der Tage alles vollenden wird. Das Gotteslamm ist Ermutigung und Mahnung für all die, die zu Christus gehören und die im Blut des Lammes reingewaschen sind (vgl. Offb 7,14). Es ist Zuspruch, dass Gott, der Herr, uns in allem Leid und in aller Drangsal nicht allein lässt. Es ist Anspruch, dass an denen erfahrbar sein soll, was es heißt, Christus, dem Lamm Gottes, nachzufolgen.

Im Alten Testament verweist das Lamm auf die Pessach-Lämmer, deren Blut in der Nacht des Auszuges aus Ägypten an die Türpfosten der Häuser der Israeliten gestrichen wurde (vgl. Ex 12). Es ist Bild dafür, dass Gott aus der Knechtschaft in die Freiheit geführt hat und immer wieder führen wird. Gott steht auf der Seite der Schwachen und Unterdrückten. Was Gott in der Vergangenheit getan hat, wird er immer wieder tun. Er lässt sein Volk nicht zugrunde gehen. Ja selbst wenn es wegläuft, sich verirrt und verloren zu gehen droht. Gott geht nach und mit. Dass Gott hält, was er verspricht, hat er uns gezeigt in Jesus von Nazareth. Nicht von ungefähr wird in der Karfreitagsliturgie aus dem vierten Gottesknechtslied beim Propheten Jesaja gelesen: „Wir hatten uns alle verirrt wie Schafe, jeder ging für sich seinen Weg. Doch der HERR ließ auf ihn treffen die Schuld von uns allen. Er wurde bedrängt und misshandelt, aber er tat seinen Mund nicht auf. Wie ein Lamm, das man zum Schlachten führt, und wie ein Schaf vor seinem Scherer verstummt, so tat auch er seinen Mund nicht auf“ (Jes 53,6-7). Für mich ist das immer wieder mahnende Erinnerung.

Gott kommt nicht mit Macht und Gewalt. Wie ein Lamm: verletzlich und gefährdet, unschuldig und zutraulich. Ohne Kalkül und Berechnung kommt Gott auf die Welt zu, ihr entgegen. Das Lamm ist ein Bild tiefen Vertrauens. Es hat Vertrauen und schenkt Vertrauen. Spürt die Welt an uns Christinnen und Christen etwas von der Haltung Gottes, von diesem Stil des Christentums? (vgl: Christoph Theobald, Christentum als Stil, Freiburg 2018). Verwandlung der Welt und Verwandlung des Lebens gelingt nicht mit brachialer Gewalt und von oben herab. Wie hören wir es in der Bergpredigt: „Selig, die Sanftmütigen; denn sie werden das Land erben“ (Mt 5,5). Den Gewaltlosen gehört die Erde.

Es ist das Lamm, das am Ende der Welt das Buch mit den sieben Siegeln öffnen kann (vgl. Off 5ff). Nicht dem Lauten gehört die Welt und nicht das alles Wissen lässt die Geheimnisse des Lebens erkennen. Wie oft fragen wir uns, warum dieses und jenes in der Welt und im eigenen Leben geschah und geschieht? Im Nachhinein bekommt alles Sinn und Deutung. Im Schweigen erschließt sich das Geheimnis des Lebens. In der Stille ist der zu finden, den wir Gott nennen und der uns in Jesus Christus, dem Lamm Gottes, sein Wesen gezeigt hat.

In jeder Heiligen Messe wird uns mit den Worten des Täufers, die wir im Evangelium gehört haben, das gebrochene Brot des Lebens gezeigt. „Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt!“ (Joh 1,29). Nicht das immer Mehr und das immer Größer schenkt Frieden und Zufriedenheit. Im Stückchen Brot, das der Herr für uns sein will, schenkt er uns Heilung und Heil bei allem, was uns trennt von ihm und untereinander. Im Ritus der eucharistischen Liturgie ist bei dem Brotbrechen nur die dreimalige Anrufung des Lammes geblieben. Das „Erbarme dich unser“ wird eigentlich solange gebetet und gesungen bis alles Brot gebrochen ist, bis alles Leben geteilt ist. Erst dann endet der Gesang mit der Bitte: „Gib uns deinen Frieden“.

Wir stehen noch am Anfang eines neuen Jahres und wissen nicht, was noch alles geschehen wird. Wo wir mit Christus zum Brot für die Welt werden, kehrt der Friede ein in unsere Herzen und auf der Erde. Bei allem Wissen um unser Unwürdigsein und um unsere begrenzten Möglichkeiten bitten wir darum: „Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt: Gib uns deinen Frieden“. Amen.