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„Der große Gott wird klein“

Predigt von Diözesanadministrator Weihbischof UIrich Boom in der Christmette im Würzburger Kiliansdom an Heiligabend, 24. Dezember 2017

Liebe Brüder und Schwestern!

Was berührt an Weihnachten? Irgendwie erfasst es alle, viele. Ob Christen oder nicht, Gläubige oder die, die nicht glauben können. Vom Fest geht eine seltsame Faszination aus. Es mag wohl daran liegen, weil tief in uns etwas angesprochen wird, wonach wir uns sehnen: Geborgenheit und Wärme, Licht und Leben, Ruhe und Frieden. In uns bricht die Sehnsucht auf, was wir vielleicht in Kindertagen erfahren und erlebt haben, als wir unbeschwert in die Zukunft geblickt, in den Morgen hineingeträumt haben: die Sehnsüchte und Träume vom Beruf, von der Familie, vom gelungenen Leben. Doch mit den Jahren hat uns immer mehr die Wirklichkeit eingeholt: Was alles nicht geht, nicht möglich ist; dass es oft mehr Scheitern als Gelingen gibt. Allzu verständlich ist, dass wir versuchen zu vergessen, dem Ernst des Lebens ein romantisches Gewand zu geben.

Von dem Komponisten und Musikpädagogen Carl Orff (1895 – 1982) gibt es im „Bairischen Welttheater“ ein Weihnachtsspiel, das mit einer lieblichen und flachen Romantik bricht. Er macht das Weihnachtsgeschehen zu einem weltverändernden Ereignis. Der Mensch ist eingespannt zwischen den Mächten des Bösen und den Mächten des Guten. Das Stück trägt den Namen: „Ludus de nato Infante mirificus“ – „Das wundersame Spiel von der Geburt des Kindes“. Es besteht aus zwei Bildern. Das erste spielt in der Unterwelt, sozusagen in unseren Tiefenschichten. Die Mächte des Bösen, verkörpert durch Hexen, versuchen die Geburt des Erlösers zu verhindern. Sie erzählen, was sie sehen: den Stern am Himmel, eine schwangere Frau auf einem Esel, einen Mann, der sie begleitet. Die Mächte des Bösen veranstalten ein solches Unwetter von Schnee und Sturm, damit das Kind zu Tode kommt und alle Orientierung verloren geht. Im zweiten Bild finden im Schneesturm Hirten eine Höhle. Sie sind so erschöpft, dass sie einschlafen. Nach und nach wird einer nach dem anderen wach und sie erzählen ihre Träume von dem Engel mit den schönen Gesängen, von den fremden Menschen, die suchen. Einer der Hirten sieht das Bild von einer Frau mit einem neugeborenen Kind und plötzlich wechselt das Bild: Mutterseelenallein hockt die selbige Frau da, „a nackerter, ausbluter Mann liegt ihr zwerch überm Schoß; g´lebt hat der nimmer“. Und da ist noch ein anderer Hirte, der hat keine Träume, ein Grantler. Er hält stets dagegen, wenn die anderen seltsame, aber hoffnungsvolle Bilder sehen und schöne Gesänge hören: „Pax bei de hominibus, hat‘s des scho amal gebn?“. Er wird zurückbleiben, wenn die anderen Hirten die Höhle verlassen, als der Sturm sich gelegt hat und sie das Kind mit der Frau suchen.

Zum Schluss kommen zwei Kinder, eine Laterne in den Händen, und sprechen fortwährend: „Wir bringen das Licht, wir bringen den Schein, wir suchen den Schlüssel fürs himmlische Tor.“

Es ist unser Welttheater, das Carl Orff zur Sprache bringt. Wir Menschen sind es mit den bösen Mächten in uns, die durch unser Streben nach Macht und Vermögen verhindern, dass Frieden im Inneren und Äußeren wachsen kann. Wir sind es, die den Träumen nicht trauen und eher Angst und Ärger als Freude und Zuversicht verbreiten. Es ist der Mensch, der mit seinem kindlichen Vertrauen auf der Suche bleibt nach der Tür zum Himmel, zum Leben, in dem wir angenommen und geborgen sind.

Wenn wir heute an Weihnachten in unseren Herzen fest machen, dass Gott Mensch geworden und auf die Erde gekommen ist, ER, von dem alles kommt und zu dem alles geht, dann wird uns Gott vor Augen geführt, was mit dem Verstand nicht einzuholen ist, was aber mit dem Herzen zu verspüren ist.

Der große Gott wird klein, der Unbegrenzte gibt sich in die Grenzen des Lebens, der Unbegreifliche wird greifbar. Wir spüren, hier liegen unsere Probleme und Fragestellungen im Blick auf Gott und auf uns selbst. Der Große, Unbegreifliche, Unbegrenzte, Ewige – wer ER ist, das wollen wir oft sein. Mit unserem alles können, alles sein, alles haben, stellen wir uns selbst und einander unter Druck.

Wir finden „den Schlüssel zum himmlischen Tor“, wenn wir uns vom Kind in der Krippe an die Hand nehmen lassen. Gott macht sich klein, begrenzt, greifbar, zeitlich, um uns mitzunehmen in seine Welt. Wir tun uns so schwer mit dem Glauben, weil wir schon so fertig sind, schon wissen, wie alles gehen muss. Wer so ist, kann nicht in die Zukunft geführt werden und in den Himmel kommen. Gott möchte uns Zukunft und Hoffnung geben, darum wird ER Mensch, damit wir zu ihm, zueinander und zu uns selbst kommen, damit Frieden herrscht nicht nur im Himmel, sondern auch auf Erden.

Amen.