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Dokumentation

Gott gibt ein neues Herz aus Fleisch

Predigt von Bischof Dr. Franz Jung in der Osternacht am Samstag, 3. April 2021, im Würzburger Kiliansdom

Die Verheißung des Herzens aus Fleisch

Ich gebe euch ein neues Herz und einen neuen Geist gebe ich in euer Inneres. Ich beseitige das Herz von Stein aus eurem Fleisch und gebe euch ein Herz von Fleisch.

Mitten im Exil in Babylon darf der Prophet Ezechiel seinem Volk dieses wunderbare Wort des Heils zusagen.

  1. Statt eines Herzens aus Stein gibt Gott ein Herz aus Fleisch.

  2. Statt Gefühllosigkeit und Herzenskälte schenkt Gott ein einfühlsames und mitfühlendes Herz, das zu echter Empathie fähig ist.

  3. Statt Bitterkeit und Gleichgültigkeit erfüllt Gott die Herzen mit neuer Lebensfreude und neuem Wille zur Gestaltung der gemeinsamen Zukunft.

Das Exil beginnt im Herzen

Denn eines ist dem Propheten mittlerweile klargeworden. Das Exil und die Verbannung nach Babylon war nicht einfach die Folge einer militärischen Niederlage oder einer verfehlten Politik. Das Exil hatte schon lange vorher begonnen.

Es begann in dem Moment, als sich das Volk im Herzen abgekehrt hatte von seinem Gott. Als die innere Mitte verloren ging, geriet alles aus den Fugen. Die Ordnung brach zusammen. Der gegenseitige Respekt blieb auf der Strecke. Jeder suchte nur das Seine, „lief seinem eigenen Götzen hinterher“, wie der Prophet eindringlich sagt. Das Chaos hielt Einzug. Mit dem Verlust der inneren Stabilität war der äußere Zusammenbruch nur noch eine Frage der Zeit. Das Exil beginnt im Herzen.

Die versteinerten Herzen

Dabei gibt es viele Arten von Exil, von äußerer Vertreibung oder Verschleppung, wie es zahllose Flüchtlinge unserer Tage erfahren und durchleiden. Und innerem Exil, wenn Menschen sich zurückziehen, innerlich kündigen und ihr Engagement einstellen oder nur noch Dienst nach Vorschrift machen. Der Anlässe gibt es genug:

  • Das Herz wird hart aus erfahrener Verletzung und fehlender Liebe. Die Angst, wieder verletzt zu werden, führt dazu, dass Menschen sich verschließen und nichts mehr an sich heranlassen. Die Sehnsucht nach Unverwundbarkeit oder das Bemühen um Selbstschutz zerstören in letzter Konsequenz das eigene Leben und schnüren einem dem Atem ab.

  • Das Herz wird hart aus Enttäuschung. Sei es, weil ein Mensch uns getäuscht und enttäuscht hat und wir nichts mehr erwarten. Sei es, weil man Hoffnungen hegte auf Veränderung und Verbesserung, die man einfach nicht kommen sieht, privat, beruflich oder auch in der Kirche und die dann zu Resignation und Verbitterung führen.

  • Das Herz wird hart durch Kampf. Wenn Menschen immer und überall um ihr Recht kämpfen müssen, wenn sie den Eindruck haben, immer die Durchsetzung ihrer Ansprüche einklagen zu müssen, werden sie irgendwann einmal stur und unnachgiebig. Weil man selbst hart im Nehmen geworden ist, legt man auch anderen gegenüber Härte an den Tag und wird hart im Austeilen.

  • Das Herz wird hart aus Überforderung. Wenn man einfach nicht mehr kann, und sich nur noch zu helfen weiß, indem man sich komplett abschottet und zumacht. Lass mich in Ruh, stör mich nicht weiter. Ich kann und ich will nicht mehr.

  • Das Herz wird hart aus Trauer. Der Verlust eines lieben Menschen tut so weh, dass man sich nur noch schützen kann durch innere Abhärtung. Menschen schauen plötzlich wie versteinert aus, teilnahmslos, freudlos und leer.

Das Exil beginnt im Herzen, da hat der Prophet Ezechiel wohl recht.

Der „Vorteil“ eines Herzens aus Stein

Wir Menschen sind schon seltsame Wesen. Es ist ja Nichts so schlimm, dass man nicht doch irgendwie einen Nutzen daraus ziehen könnte. So hat auch ein Herz aus Stein einen nicht geringen „Nutzen“.

  • Indem ich dichtmache, muss ich mich um nichts und niemanden mehr kümmern und kann es mir leisten, wegzusehen.

  • Weil mich nichts mehr anficht, kann ich mich in meiner Rechthaberei einrichten und brauche mich von den anderen nicht mehr in Frage stellen lassen.

  • Weil ich mir mit meinem steinernen Herzen jedes Mitgefühl erspare und mich selbst betäube, entledige ich mich auch schnell mal meiner Verantwortung für andere und zieh mich zurück in mein Schneckenhaus.

Ja, man kann sich im Exil auch einrichten. Genau das hat auch der Prophet Ezechiel mit Sorge festgestellt. „Das Schlimme am Exil war, dass sie sich daran gewöhnt hatten“, sagen die Rabbinen. Dass man sich dadurch auch selbst das Leben nimmt, steht auf einem anderen Blatt. Oftmals braucht es Jahre, bis ein Mensch wahrnimmt, dass nicht nur die anderen ihn bedrängen, sondern dass er sich mit der inneren Verhärtung selbst das Leben schwermacht, kostbare Jahre verspielt und im Grunde an sich vorbeilebt.

Ostern: Gott gibt ein neues Herz aus Fleisch

Auferstehung heißt dann, dass es eines neuen Herzens bedarf. Der Prophet Ezechiel weiß: Ein neues Herz ist Chefsache. Da muss Gott selber Hand anlegen. Er kennt aus eigener Anschauung die Schwierigkeit, ein Volk bekehren zu wollen.

Wer nichts mehr will und nichts mehr fühlt, bei dem ist jede Liebesmüh verloren. Nur Gott selbst, der Schöpfer und Herzenskenner, kann das kalte Herz austauschen gegen ein Herz aus Fleisch und Blut. Und er tut es.

Wie den Grabstein Jesu so rollt der Herr an Ostern die Steine weg, die unser Herz beschweren, damit wir wieder aufatmen können. Auf diese Weise spürt der Mensch plötzlich wieder sich selbst. Tritt in Kontakt zum eigenen Herzen. Merkt, dass er noch lebt und zu echter Regung und wirklichem Gefühl fähig ist. Wo dieses Wunder geschieht, vermag ein Mensch auch wieder zu anderen in Beziehung zu treten.

Herr Michael Wegel als Täufling und seine Herzensgeschichte

In diesem Sinn hat Herr Wegel, der heute Nacht in unserer Mitte die Taufe empfängt, eine eigene, wunderbare Herzgeschichte zu erzählen. In dieser Herzgeschichte spielt seine Frau eine wichtige Rolle. Denn mit seiner Frau lernt er auch den Glauben kennen. Eine sehr sympathische Bekehrungsgeschichte übrigens!

Seine Frau nimmt ihn wie selbstverständlich mit in ihre Gemeinde. Wie eine gute Ehefrau teilt sie alles mit ihm, was ihr wichtig ist. Da wird sein Herz plötzlich angerührt. Was er bislang nur vom Hörensagen kannte, weckt sein Interesse.

Nicht dass er im Exil gewesen wäre. Aber die Frage nach der geistigen und geistlichen Heimat, nach einem Ort, wo man innerlich zuhause ist, die stellt sich plötzlich neu. Noch dauert es, weil gut Ding Weile braucht.

Die überraschende Anfrage, das Patenamt zu übernehmen, versetzt seinem Herz einen neuerlichen Anstoß. Verantwortung für andere zu übernehmen, bedeutet, sich selbst mit dem Glauben intensiver auseinander zu setzen.

Der weitergehende Wunsch, auch die eigenen Kinder im Glauben zu erziehen und jungen Menschen etwas für ihr Leben mitzugeben an innerem Halt, gibt dann schließlich den Ausschlag, dem Gedanken an die Taufe näher zu treten und sich heute taufen zu lassen.

Man sieht, auch wenn der liebe Gott die Herzen bekehrt, bleibt es am Ende doch immer ein großes Gemeinschaftswerk von vielen: der geliebten Ehefrau, einer Gemeinde, die andere offenherzig aufnimmt und mitträgt, eines guten Begleiters wie unseres Diakons Sell, der „dran bleibt“, aber auch der Sehnsucht im eigenen Herzen. Die Frage nach dem Mehr, ob es noch etwas gibt, wofür es sich zu leben lohnt und was dem Leben eine innere Richtung und einen Sinn gibt, sie findet heute Abend in der Taufe eine Antwort.

Gott, der die Herzen kennt, schenkt ihm ein neues Herz. Und auch unseren Herzen gibt er einen Schubser, um wieder einmal darüber nachzudenken, was einem jeden von uns persönlich der Glaube bedeutet und wo der Herr unser Herz so berührt hat, dass wir den Wunsch verspüren, die Schönheit des Glaubens besser kennenzulernen.

Die Verheißung des Propheten Ezechiel zur Tat werden lassen

So wollen wir nun in die Tat umsetzen, was der Prophet Ezechiel angekündigt hat.

  1. Gott selbst wird im Sakrament der Taufe über Herrn Wegel reines Wasser ausgießen, um ihm einen reinen Neubeginn zu ermöglichen als Kind Gottes.

  1. Gott selbst schenkt ihm heute Nacht ein neues Herz, mit dem er die Osterfreude tief empfinden und in der Eucharistie verkosten kann.

  2. Und Gott selbst schenkt ihm in der anschließenden Firmung seinen Geist. Denn das neue Gesetz der Liebe Gottes ist jetzt nicht mehr auf Stein geschrieben wie einst die zehn Gebote auf Steintafeln gemeißelt waren. Nein, das neue Gebot der Liebe wird auf Herzen aus Fleisch geschrieben, so dass es niemals verloren geht, sondern im Innersten aufbewahrt bleibt.

Danken wir dem Herrn, der er die Herzen bekehrt und erneuert und rufen wir jetzt in der Allerheiligenlitanei die Gemeinschaft der im Glauben vollendeten an, damit sie Herrn Wegel und uns alle begleiten mögen auf unserem Weg vom Tod zum Leben, von der Finsternis zum Licht, von der Trauer zur Osterfreude, die uns niemand mehr nehmen kann. Amen. Halleluja!