Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

„Gott nimmt unser Leben ernst“

Predigt von Diözesanadministrator Weihbischof Ulrich Boom beim Pontifikalamt zum Hochfest der Geburt Christi am 25. Dezember 2017 im Würzburger Kiliansdom

Liebe Schwestern und Brüder,

zu großen Festen gehören große Lieder, so auch zum Weihnachtsfest. Einen der großen Gesänge haben wir gerade gehört mit dem Prolog des Johannes-Evangeliums: „Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott“ (Joh 1,1).

Zu den großen Gesängen gehört rund um den Erdball das Lied „Stille Nacht, heilige Nacht“. In über 300 Sprachen und Dialekte übersetzt, ist es wohl das bekannteste Weihnachtslied. Zu den großen Gesängen gehört auch das Lied, das wir hier in dieser heiligen Feier hören und vielleicht innerlich mitsingen werden: „Transeamus usque Bethlehem“ – „Lasst uns nach Bethlehem gehen“. Es ist ein weihnachtliches Chorwerk, dessen Komponist unbekannt ist. Es wird einem Breslauer Domkapellmeister Joseph Ignaz Schnabel zugeschrieben, aber von ihm ist wohl nur die Bearbeitung der instrumentalen Begleitung.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es durch die heimatvertriebenen Schlesier zunehmend bekannt gemacht. Über dieses Lied identifizieren sich viele Schlesier mit ihrer verlorenen Heimat. In meiner Kindheit und Jugend gehörte dieses Lied zum festen Bestandteil in den Weihnachtsmessen meiner Heimatgemeinde. Aber es war nicht mein Lied. Später erst habe ich es schätzen gelernt. Ich verband mit dem Lied immer, dass nach dem Krieg eine schlesische Familie in das Haus meiner Eltern und Großeltern zwangsweise einquartiert wurde. Ob vertrieben oder geflüchtet, das war egal. Wir wohnten so schon in engen Verhältnissen. Dann kamen noch sechs Personen hinzu, vertriebene Großeltern, Eltern und zwei Kinder. Die Konflikte waren an vielen Stellen programmiert. Viel später erst habe ich diese Lehrzeit mit diesem Lehrstück verstanden. „Transeamus usque Bethlehem“ – „Lasst uns nach Bethlehem gehen“.

An Weihnachten feiern wir, dass Gott in diese Welt kommt. „Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf“ (Joh 1,11). Gott wird zum Fremden im eigenen Haus, im eigenen Land. Wir Menschen machen uns breit mit unserem Vermögen, das wir in den Taschen und im Kopf haben. Und wo wir alles können und alles wissen, hat das Fremde, das Ungewohnte keinen Platz. Wenn wir dann an unsere Grenzen stoßen und unsere Begrenztheit merken, erkennen wir vielleicht, dass wir selbst in der gewohnten Sicherheit auch nur Gast auf Erden sind, Fremde. Das sind die Menschen, die die Macht haben, Kinder Gottes zu werden, an denen etwas von Gott sichtbar wird.

Vielleicht ist es das, was mit der Botschaft der Heiligen Nacht und der Weihnacht in aller Welt Menschen berührt: Gott liefert sich aus von der Krippe bis zum Kreuz, steigt in unseren Alltag hinab bis in alle Brutalitäten, wie wir sie verursachen können. Darum ist die Krippe, der Futtertrog kein romantisches Bild und das Kreuz kein Kampfzeichen. Beides sind Zeichen der Nähe und Demut Gottes und zeigen, wie Leben für alle möglich wird. Der Allmächtige macht sich ohnmächtig, der Starke wird schwach, der Ewige endlich. Gott kommt in unser Leben als kleines Kind. Es ist nicht Jerusalem und die Macht, sondern Betlehem und die Ohnmacht, wo er zur Welt kommt. Es ist der Stall mit dem Dreck und die Höhle mit ihren Dunkelheiten und Unheimlichkeiten, in die Gott hinabsteigt, bei mir, bei uns, bei einem jeden.

Darum gilt es, nach Betlehem zu gehen, um wieder neu zu erfahren, wie nah uns Gott ist. Darum gilt es, das eigene Betlehem in mir zu sehen, um zu spüren, wie wenig es braucht, um in Frieden zu sein.

Welche Größe – Gott, der es nicht nötig hätte, nimmt unser Leben ernst. Er spielt nicht mit der Erde und dem Leben, wie es so manche Mächtigen dieser Erde tun. Für sie scheint die Erde ein Spielball ihrer Machtinteressen zu sein. Gott spielt nicht mit uns, er spielt uns auch nichts vor. Im wahrsten Sinne des Wortes macht er ernst mit dem Wort der Liebe. Seine Liebe wird Mensch, hat Hand und Fuß, von der Krippe bis zum Kreuz. Darum „Transeamus usque Bethlehem“ – „Lasst uns nach Bethlehem gehen“.

Amen.