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Dokumentation

„Gottes Freude ist der lebendige Mensch“

Predigt von Generalvikar Domdekan Dr. Jürgen Vorndran beim Erntedankgottesdienst im Kiliansdom am Sonntag, 2. Oktober 2022

Liebe Sängerinnen und Sänger unserer Dommusik,

liebe Eltern und Geschwister,

liebe Schwestern und Brüder,

„Singen von Gottes Wegen“ – beim diesem Lied, das ihr, liebe Mädchen und Buben nach der Lesung angestimmt habt, kann einem das Herz so richtig aufgehen. Vielleicht hat dieses Stück genau deswegen immer wieder einen Gänsehauteffekt, weil darin das Selbstverständnis unserer Dommusik so gut

ausgedrückt wird:

Singen von Gottes Wegen / Gehen im Licht des Herrn

Leben unter Gottes Segen / folgen seinem guten Stern

Geborgen in Gottes Liebe / vertrauend auf sein Wort

umhüllt von Gottes Liebe / beschützt an jedem Ort.

Ja, liebe Mädchen und Buben der Domchöre, „Singen von Gottes Wegen“, das bringt auf den Punkt, was Eure Motivation ist, der ihr hier im Kiliansdom immer wieder folgt. Heute erfüllt uns Dankbarkeit, dass Ihr die Gemeinschaft der Mädchenkantorei und der Domsingknaben bereichert. Danke, euch, liebe Buben und Mädchen, dass ihr einen Teil eurer Freizeit opfert, um zu proben, um Konzerte zu singen und um schließlich hier im Dom den Gottesdienst mitzugestalten. Was für ein Geschenk an uns und an Gott im Himmel! Danke, liebe Eltern, dass Sie der Dommusik und dem Kiliansdom Ihre Söhne für die Chorarbeit anvertrauen. Danke, allen Verantwortlichen in der Dommusik, die diese Mädchen und Buben bereits in den Vorchören begleitet haben und nun weiter begleiten werden. Ich wünsche euch, dass das, was ihr singt, euch auch erfüllt:

Dass ihr im Licht des Herrn geht, wenn ihr singt. Dass ihr seinem Stern folgt und unter Gottes Segen steht, dass ihr in seiner Liebe geborgen seid und auf Gottes Wort vertraut, umhüllt von Gottes Liebe, beschützt an jedem Ort.

Wir alle spüren, dass es genau das ist, was wir für das Leben dieser jungen Menschen ersehnen, obwohl wir selber es nicht machen können - Segen, Geborgenheit, Liebe - all das kann man sich nirgends kaufen - wir Menschen müssen es uns schenken lassen. Umso mehr bitten wir Gott, er, der die Liebe ist, möge immer wieder seinen Segen, seine Geborgenheit, seine Liebe schenken.

Deswegen, da bin ich überzeugt, lohnt es sich, auch heute zu glauben und sich ganz Gott anzuvertrauen.

Das aber ist ein Wagnis, das nicht jeder eingeht: „Was bringt es mir, wenn ich glaube, wenn ich zur Kirche gehe?“ - Diese und ähnliche Fragen sind heute Gang und Gäbe und wir Christen geraten beim Antworten schon mal ins Stottern. Derart in die Enge getrieben, kommen wir gar nicht auf die Idee, die Frage nach dem bloßen Nutzen kritisch zu hinterfragen. Ist sie nicht eigentlich dem Glauben gegenüber völlig unangebracht?

Anlass zum Widerspruch gegenüber der Frage nach dem bloßen Nutzen ist mir heute das Erntedank-Fest. Es lenkt unseren Blick auf die Schöpfung. Als gläubige Menschen begreifen wir diese Welt als Gottes gute Schöpfung. Wir Menschen sind ein Teil davon. Wenn das nicht nur so dahingesagt ist, sondern wirklich unsere tiefste Überzeugung darstellt, dann müssten wir eigentlich auf die Frage: „Was nützt mir der Glaube?“ antworten: „Lieber Gesprächspartner, genauso könntest du mich fragen: Was nützt mir die Erde? Was nützen mir die Sonne, der Mond und die Sterne? Was nützen mir der Regen und der Schnee, die Bäume und die Früchte der Erde?“

Die so harmlos daher kommende Frage „Wofür ist das gut?“ verrät in sich ein Denken, das alles nach dem Nutzen bewertet. Näherhin nach dem Nutzen für mich. Ganz langsam wächst im Menschen unserer Zeit die Einsicht, dass genau dieses Denken unsere Mutter Erde dahin gebracht, wo wir im Jahr 2022 stehen: Vor einem Abgrund, vor einer Klimakatastrophe, die unsere Zukunft in einer Weise bedroht, wie wir es uns bisher nie haben ausmalen können. Kann es sein, dass wir dabei sind, unsere Mutter Erde noch nach dem letzten Nutzen auszubeuten, bis sie zugrunde geht – und wir mit ihr?

Leider fehlt uns Christen manchmal der Mut, mit einem solchen Selbstbewusstsein auch im Blick auf unseren Glauben aufzutreten. Eigentlich müssten wir es uns herausnehmen, auf die Frage „Wozu nützt mir der Glaube?“ mit der Bemerkung zu antworten, dass für einen Menschen, der Gott erkannt hat, die Antwort des Glaubens eine Selbstverständlichkeit ist. Auch das lehrt uns Erntedank: Das Geschöpf lobt den Schöpfer: Der Mensch preist Gott für seine Liebe und Fürsorge. – Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die uns das Fest Erntedank nur in Erinnerung ruft.

Liebe Schwestern und Brüder,

wir erkennen: Gott lässt sich nicht verzwecken. Und wir sollten auch aufhören, seine Schöpfung zu verzwecken. In dem Moment, in dem ich jemanden oder etwas verzwecke, mache ich ihn oder sie klein, ja ich nehme ihm oder ihr die eigene Würde.

Wie meine ich das? Um meinen Gedanken nochmals zu verdeutlichen, lade ich Sie ein, in diesem Moment vor Ihrem geistigen Auge einen Menschen aufzurufen, den Sie lieben. Wenn Sie den oder diejenige jetzt klar vor Ihrem inneren Auge haben, dann stellen Sie sich vor, er oder sie würde jetzt den Mund öffnen und Sie fragen: „Was nützt dir meine Liebe?“ Würde diese Frage Sie nicht zu allererst verstören? Sicher würden Sie sie als unangebracht empfinden.

Und genau das meine ich. Genau diese Empfindung mag Gott in seinem Herzen hegen, wenn die Menschen fragen: „Wozu nützt mir der Glaube?“ Der eine oder die andere Christin würde vielleicht aus dem Herzen heraus viel spontaner auf diese Frage antworten als ich und sagen: Deine Frage nach dem Nutzen des Glaubens kommt mir so vor, als würde jemand mich fragen: „Wozu nützt mir das Atmen?“ Wer würde diese Frage ob ihrer Banalität wirklich ernst nehmen? Die Antwort ist klar: „Das Atmen nützt mir zum Leben! Und so ist es auch mit dem Glauben!“ Als Glaubende dürfen wir also auf die Frage nach dem Nutzen des Glaubens Widerspruch einlegen und sagen: Glauben ist wie das Atmen der Seele.

Liebe Schwestern und Brüder,

die Frage nach der Nützlichkeit des Glaubens will das eigentliche Phänomen des Glaubens nur klein reden. Jesus aber denkt den Glauben ganz groß und das macht er uns heute im Evangelium klar: Es beginnt mit der Bitte der Apostel: „Herr, stärke unseren Glauben!“ Jesus antwortet darauf. Er stärkt den Glauben der Jünger. Er bekräftigt, wozu ein auch nur senfkorngroßer Glaube im Stande ist: Ganze Bäume kann versetzen, wer glaubt. Bei Matthäus und Markus steht die Variante dieses Jesuswortes, die sprichwörtlich geworden ist: Der Glaube kann Berge versetzen. Das ist natürlich bildlich gemeint:

Wer glaubt, der hat Orientierung. Wer glaubt, hegt eine unbändige Hoffnung. Wer glaubt, ist befähigt, das Leben zu meistern. Ein Mensch, der Gott erkannt hat, kann nicht anders, als mit seinem Glauben zu antworten.

Liebe Schwestern und Brüder,

heute an Erntedank bitten wir mit den Aposteln Jesus: „Herr, stärke unseren Glauben!“ Der Glaube vermag zwar Großartiges, entzieht sich aber einer Bestimmung über seinen bloßen Nutzen. Glauben bedeutet, ganz unverzweckt das zu leben, was wir von Gott unserem Schöpfer her sind:Seine Geschöpfe, die Antwort geben auf seine Liebe! Nehmen wir das heute an Erntedank wieder tief ins Herz! Gottes Freude ist der lebendige Mensch. Machen wir es Gott nach und schauen voller Liebe und Freude auf seine Schöpfung und die anderen Menschen, seine Geschöpfe. Amen.