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„Öffnet die Tore!“

Predigt von Bischof em. Paul-Werner Scheele im Kiliansdom am Sonntag, 27. April 2014, dem Tag der Heiligsprechung von Johannes XXIII. und Johannes Paul II.

Acht Tage nach Ostern können wir ein weiteres Osterfest feiern. Das Evangelium berichtet, was eine Woche nach der Auferstehung des Herrn im Jüngerkreis geschehen ist. Der Name „Weißer Sonntag“ erinnert an unsere Taufe, die uns für immer vital mit dem Auferstandenen verbunden hat. Viele von uns haben am Weißen Sonntag die erste heilige Kommunion empfangen. Auch das gibt dem heutigen Tag sein besonderes Gepräge. Johannes Paul II. hat uns eingeladen, diesen Tag als ein Fest der Barmherzigkeit Gottes zu feiern.

In diesem Jahre können wir das mit besonderer Dankbarkeit tun. Die Heiligsprechung von Johannes XXIII. und Johannes Paul II. ist ein Geschenk der Barmherzigkeit Gottes. Dass ein Mensch heilig wird ist ein Werk der göttlichen Gnade. Gott beruft zur Heiligkeit, Gott macht sie möglich. In den Präfationen an Heiligenfesten bekennt die Kirche: „In der Krönung ihrer Verdienste krönst du das Werk deiner Gnade.“ Und wiederum: Du schenkst uns in den Heiligen „leuchtende Zeichen deiner Liebe.“ Was die Heiligen für unser aller Leben bedeuten, hat das Konzil mit den Worten umschrieben: Im Leben der Heiligen „zeigt Gott den Menschen in lebendiger Weise seine Gegenwart und sein Antlitz.“ „In ihnen redet er selbst zu uns.“

Fragen wir deshalb: Was sagt uns der Herr durch Johannes XXIII., was sagt er uns durch Johannes Paul II.? Vieles drängt sich auf, wenn wir ihr Leben und Wirken betrachten. In jedem Fall gehört ein doppelter Appell dazu. Er lautet: „Seid barmherzig! Seid apostolisch!“

Der Appell der Heiligen

Seid barmherzig

Als Angelo Roncalli zum Papst gewählt wurde waren meine Berufsschüler enttäuscht. Sie sagten: „Ach, Herr Vikar, so'n Alten, und so'n Dicken!“ Andere haben sich laut oder leiser gewählter ausgedrückt. Sie trösteten sich mit dem Gedanken, wegen seines Alters sei er ja schließlich nur ein Übergangspapst. Er war es in der Tat, aber in einem tiefen, positiven Sinn. Durch seine Entscheidung für das Konzil leitete er einen weitgehenden Übergang der Kirche in eine neue Phase ihrer Geschichte ein. Dankbar erkannte man bald schon die Güte, die Johannes XXIII. ausstrahlte. Die Römer nannten ihn Papa della Bontà, Papa der Güte. Es kennzeichnet ihn, dass er gelegentlich in einem Gespräch gesagt hat: „Es gibt nichts Besseres als die Güte. Der menschliche Geist kennt durchaus andere hervorragende Gaben, aber keine von ihnen ist vergleichbar der Güte. Sie spiegelt das eigentliche Wesen des menschgewordenen Sohnes Gottes und dessen, was er uns gelehrt und vorgelebt hat, wider.“ Bereits als Patriarch von Venedig hatte er seinen Gläubigen in einem geistlichen Testament die Güte ans Herz gelegt, „die milde und wohlwollende, tätige und geduldige, unbesiegbare und siegreiche Güte.“

Diese Güte liegt dem unermüdlichen Einsatz des Papstes für den Frieden zugrunde. Immer wieder hat er den Friedensgruß des Auferstandenen weitergegeben. Jesus hat die Apostel, die sich in Furcht eingeschlossen hatten, durch das Geschenk seines Friedens befreit und mit Freude erfüllt. Johannes XXIII. hat konsequent im Sinne des Erlösers gehandelt. Das bezeugt nicht zuletzt die Friedensenzyklika „Pacem in terris“, die er einen Monat vor seinem Tod veröffentlichte. Eindringlich wandte er sich an alle: „Allen … fällt eine ungeheure Aufgabe zu, nämlich die Aufgabe, die Beziehungen des Zusammenlebens in Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe und Freiheit wieder herzustellen, und zwar sowohl zwischen Bürgern und Staat als auch innerhalb der verantwortlichen Stellen des Staates selbst, zwischen den einzelnen Menschen, den Familien … einerseits und der Völkerfamilie andererseits.“

Dem Frieden Christi im Reich Christi sollte auch das Konzil dienen, das Johannes XXIII. überraschend einberufen hat. Der Papst erhoffte sich ein neues Pfingsten, das der ganzen Welt zugute kommen sollte. Es ging nicht darum, neue Fronten zu schaffen, sondern sie zu überwinden. Alle Christen wurden aufgerufen, sich dafür einzusetzen. Zur Vorbereitung des Konzils betete Johannes XXIII.: „Erneuere in unserer Zeit deine Pfingstwunder. Gewähre der Kirche, dass sie mit Maria, der Mutter Jesu, einmütig und inständig im Gebet ausharre und unter der Führung des heiligen Petrus das Reich des göttlichen Erlösers ausbreite, das Reich der Wahrheit und der Gerechtigkeit, das Reich der Liebe und des Friedens.“ Auf dem Sterbebett hat Johannes XXIII. immer wieder die Worte Jesu wiederholt: „Ut omnes unum“, „dass alle eins seien“ (Joh 17,21).

Mit eben diesen Worten überschrieb Johannes Paul II. seine Ökumeneenzyklika. Sie setzt auf ihre Weise fort, was der Papst in seinem ersten großen Rundschreiben begonnen hatte. Mit bewegenden Worten stellte er die apostolische Aufgabe aller Christgläubigen heraus. Er schreibt: Allen ist aufgetragen, „Christus der Welt zu offenbaren, einem jeden Menschen zu helfen, damit er sich selbst in ihm wiederfinde.“

Der Appell, der durch Johannes Paul II. an uns alle ergeht, heißt:

Seid apostolisch!

Johannes Paul II. wusste sich von den österlichen Worten des heutigen Evangeliums in Pflicht genommen: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21). Er hat seine Aufgabe gemäß den Worten der Apostelgeschichte wahrgenommen. Sie berichtet: Die ersten Christen „hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten“ (Apg 2,42).

Unermüdlich hat Johannes Paul II. die Lehre der Apostel verkündet. Er tat es besonders intensiv für die Jugend und für die Kranken. Wie kein Papst vor ihm wirkte er als Apostel aller in allen Erdteilen. Dabei beschränkte er sich nicht auf die Länder mit einer katholischen Mehrheit; er wagte sich auch dorthin, wo die Christgläubigen eine verschwindende und  bedrängte Minderheit waren.

In aller Welt sollte die Gemeinschaft wachsen, die Gott den Menschen schenken will. Wie die ersten Christen sollten möglichst viele erleben, dass sie zusammengehören. Jeder Mensch soll wissen, dass sich der Sohn Gottes „in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt.“ Besonders wichtig war für Johannes Paul II. die Gemeinschaft aller Christen. Leidenschaftlich setzte er sich für die Überwindung der Spaltungen und die volle Verwirklichung der Einheit aller ein. Durch Wort und Tat rückte er auch die innere Verbundenheit mit dem jüdischen Volk in den Blick.

Das eucharistische Brechen des Brotes war für ihn „Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens“ und insbesondere der Gemeinschaft. Er betonte: „Aus der Eucharistie lebt und wächst die Kirche immerfort.“ Die Verbundenheit von Eucharistie und Kirche hat er in einer eigenen Enzyklika herausgestellt. In dem von ihm programmierten Jahr der Eucharistie wurde er heimgerufen.

Zu Beginn seines Pontifikates hat Johannes Paul II. erklärt: „Das Gebet ist die erste Pflicht, die erste Botschaft des Papstes, die Grundbedingung seines Dienstes für die ganze Welt.“ Er fügte etwas hinzu, was jeden von uns nachdenklich machen sollte; er erklärte: „Das Gebet ist die erste Bekundung der Freiheit und der Wahrheit des Menschen. Es gibt seinem Leben in jedem Augenblick unter allen Umständen einen Sinn.“

Öffnet die Tore!

Bei seiner Amtseinführung rief Johannes Paul II. allen Menschen zu: „Habt keine Angst! Öffnet die Tore, reißt sie weit auf für Christus!“ Dieser Appell ist auch heute noch aktuell. Im Blick auf die Situation der Kirche und der Welt  leben viele in Angst. Vielleicht fühlt sie  mancher auch angesichts des zweifachen Appells der neuen Heiligen: „Seid barmherzig! Seid apostolisch!“ Schaffen wir das? Diese Frage ist berechtigt. Die Antwort heißt: Wir schaffen es nicht, wir schaffen es nicht, wenn wir es aus eigener Kraft fertigbringen wollen. Es wird möglich, es wird wirklich, wenn wir es mit Christus angehen. Wir tun gut daran, uns vom Appell des Papstes bewegen zu lassen: „Öffnet die Tore, reißt sie weit auf für Christus!“ „Seid barmherzig, seid apostolisch durch ihn, mit ihm und in ihm“. Amen.