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Technisch auf der Höhe der Zeit

Haupt- und Chororgel im Würzburger Dom bieten nach Renovierung einzigartige künstlerische Möglichkeiten – Neuer Spieltisch voller Elektronik

Würzburg (POW) Es wirkt wie Zauberei: Der Akkord, den Domorganist Professor Stefan Schmidt gespielt hat, erklingt weiter, obwohl er mit der linken Hand inzwischen auf einem anderen Manual einen Lauf spielt, mit dem er die Melodiestimme der rechten Hand begleitet. „Das ist eine der schönen Neuerungen, die dieser Spieltisch bietet.“ Hoch oben auf der Empore des rechten Querhauses des Würzburger Doms sitzt Schmidt an seinem Arbeitsplatz. Mit der Innenrenovierung des Doms im vergangenen Jahr wurde auch den beiden Orgeln der Kathedrale eine technische Verjüngungskur zuteil. Unter anderem ermöglicht der neue, elektronische Spieltisch, von hier aus die fast 90 Meter entfernte Hauptorgel zu spielen. „Das erlaubt in einzigartiger Weise ein Musizieren mit Stereoeffekten, mit abwechselndem Echo und ein Füllen des gesamten Kirchenraums mit Klang.“ In der Würzburger Kathedrale werden die zentralen Gottesdienste des Bistums gefeiert, regelmäßig finden dort auch  Orgelkonzerte von internationalem Rang statt.

Abwechselnd lässt Schmidt die mächtige Hauptorgel und die Chororgel erklingen, um schließlich beide Instrumente gleichzeitig zu einer gewaltigen Klangmauer zu verbinden. Möglich wird das durch eine elektrische Datenleitung, die unterm Dach des Doms verlegt wurde und für die Kommunikation zwischen der großen und der kleinen Orgel sorgt. Insgesamt rund eine Million Euro wurden nach Angaben von Bischöflichem Finanzdirektor Albrecht Siedler in die Überarbeitung der 1968 von der Bonner Orgelbaufirma Klais geschaffenen Hauptorgel, den neuen Spieltisch an der Chororgel sowie die Elektrifizierung der Register investiert. Die Mittel stammen größtenteils aus dem Orgelfonds des Diözesanhaushalts. Heraus kamen wohl einzigartige künstlerische Möglichkeiten.

Bislang waren die beiden 1968/69 erbauten Instrumente jeweils nur für sich allein spielbar. Zur damaligen Zeit war die barocke Bauweise mit mechanischer Traktur das künstlerische Nonplusultra. Wenn der Organist bei einem solchen Instrument eine Taste drückt, wird über ein Zugsystem der entsprechenden Pfeife Luft zugeführt. „Man hat ein sehr direktes Spielgefühl, wenngleich das aber auch viel Kraft erfordert“, erklärt der Domorganist. Sang bei einem Gottesdienst ein Chor im Altarbereich, musste ein zweiter Organist den Gesang auf der kleineren Orgel im Querhaus begleiten. „Von der Hauptorgel sieht man den Dirigenten nicht, und auch die Verzögerung durch die Länge des Hauptschiffs macht eine Begleitung von der Hauptorgel aus unmöglich.“

Zum Demonstrieren aktiviert Schmidt die Spanischen Trompeten der Hauptorgel und spielt los. Erst eine gefühlte Ewigkeit, nachdem er die jeweilige Taste wieder losgelassen hat, sind die Töne im Querhaus zu vernehmen. Um diesem Akustikproblem Abhilfe zu schaffen, wurden vor beiden Orgeln Mikrofone im Raum aufgehängt. Mit diesen wird der Klang der jeweils anderen Orgel auf ein am jeweils anderen Spieltisch platziertes Boxenpaar übertragen – praktisch in Echtzeit. „Nur so kann ich auch wirklich kontrolliert schnell und filigran spielen.“

Nicht nur die Raumakustik schafft gewisse Probleme. Auch die Optik bringt im großen Dom ihre Herausforderungen mit sich. „Um diese Bildschirme beneiden mich meine Kinder jedes Mal und fragen, ob da auch KIKA läuft“, sagt Schmidt und zeigt auf die Monitore am Spieltisch. Mit einem Tastendruck kann er zwischen sechs Kameras umschalten, die den Dirigenten auf der Empore oder im Chorraum des Doms jeweils von oben, von vorne und von der Seite zeigen.

Außer dem eingangs demonstrierten Sustinator, also der Möglichkeit, einen Akkord quasi „einzufrieren“, bringt der neue Spieltisch noch eine weitere neue Errungenschaft: Das Pedal lässt sich klanglich teilen. „So kann ich mit dem linken Fuß regulär den Bass spielen und gleichzeitig mit dem rechten Fuß eine Melodie.“ Schmidt musiziert simultan zum virtuosen Fußeinsatz mit den beiden Händen und erklärt schmunzelnd: „Das will ein wenig geübt sein.“ Insgesamt 107 klingende Register haben die beiden Orgeln im Dom, 87 davon sind in der Hauptorgel, die anderen 20 in der Chororgel. Am neuen Spieltisch lassen sich die verschiedenen Klänge nach Herzenslust kombinieren. Erst kurz vor Weihnachten 2012 wurde der neue Spieltisch installiert und Schmidt mehr oder minder ins kalte Wasser geworfen. Praktisch über Nacht durfte er sich mit „zwei komplett anderen Instrumenten“ und deren technischen Finessen auseinandersetzen. Aber das habe ja auch durchaus seinen Reiz.

Ein Tastendruck, und die Orgel spielt das Stück ganz ohne das Zutun des Organisten. „Der Spieltisch ist ein Prototyp, der jeden Tasten- und Pedaldruck auch in Midi-Signale umrechnet und aufzeichnen kann. So kann ich zum Beispiel später im Kirchenraum abhören, ob die Registrierung passt.“ Eine Gottesdienstbegleitung via Midi-Datei werde es aber nicht geben. „Als Organist muss ich immer reagieren können. Das kann der Computer nicht.“ Auf eine Annehmlichkeit muss der Organist auch nach der Renovierung verzichten. Nach wie vor führen nur steile Treppen zu den beiden Orgeln empor, einen Aufzug gibt es nicht. Diesen Umstand verschmerzt Domorganist Schmidt aber gern. „Meistens macht die Arbeit wirklich Spaß“, sagt er lächelnd.

Markus Hauck (POW)

(4213/1024; E-Mail voraus)

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