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„Unsere Kirche will barmherziger erfahren werden“

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann bei der Diakonenweihe am 28. September 2013 im Kiliansdom zu Würzburg

Liebe Weihekandidaten, liebe Schwestern und Brüder,

der heutige Weihetag von fünf Seminaristen, die hier im St. Kilians-Dom zu Diakonen geweiht werden, ist für uns alle ein Festtag.

Diese fünf Männer haben sich nach langjähriger Ausbildung, nach theologischem Studium und spiritueller Reifung, entschieden, sich von Gott senden zu lassen und ihren Lebensweg mit und für uns alle zu gehen. Mit der heutigen Diakonenweihe werden sie von Gott öffentlich berufen und gesandt.

Diesem wichtigen Tag geht die Erkenntnis voraus, von der wir in der heutigen Tageslesung hörten: „Die Weisheit ist der Widerschein des ewigen Lichts, der ungetrübte Spiegel von Gottes Kraft, das Bild seiner Vollkommenheit.“ (Weish 7,26) Der König Salomo hat in all seiner Weisheit, die er vor allen irdischen Gütern von Gott erbeten und erhalten hat, bekannt, dass sie das höchste Gut ist.

Auch unsere Weihekandidaten haben, im Gegensatz zum Trend unserer Zeit, den Weg der Nachfolge Christi eingeschlagen und seine Mahnung: „Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe.“ (Joh 15,12) als die Quintessenz der Weisheit Gottes angenommen.

Auf unserer gerade zu Ende gegangenen Herbstvollversammlung der deutschen Bischöfe in Fulda hat Erzbischof Robert Zollitsch uns Bischöfe darauf hingewiesen – und ich möchte dies hier an unsere Weihekandidaten und uns alle weitergeben – , dass wir eine glaubensstarke, eine hoffnungsfrohe, eine bescheidene und barmherzige Kirche brauchen.

Schon Papst Benedikt XVI. wurde nicht müde, darauf hinzuweisen, dass wir eine glaubensstarke Kirche benötigen. Um die Wasseradern des Glaubens freilegen zu können, müssen wir zu den Brunnen der Liebe Gottes finden. Was unsere Zeit braucht, ist die Erfahrung praktizierter Liebe. Es geht um ein Lebenszeugnis, das aus der glaubensstarken Liebe zu Gott erwächst und unser Verhalten prägt. Viele Menschen sind heute verunsichert, ob der von uns verkündete Glaube auch wirklich in der Realität Gottes gründet. Ihnen scheint der Himmel vernebelt, Gott unfassbar und ungreifbar zu sein. Deshalb sind wir aufgerufen, das Unbestimmte des Jenseits bestimmt zu deuten. Die Menschen erwarten von uns Glaubensstärke in einem Umfeld von Unsicherheit, gelebte Liebe, die nicht selektives Glauben fördert, sondern den Wahrheitsanspruch der Lehre Christi ganzheitlich erfahrbar macht.

Wir brauchen eine hoffnungsfrohe Kirche. Dieses ständige Herumkritisieren, dieses Jammern und Nörgeln in den eigenen Reihen, der uns manchmal hautnah entgegenbrandende Pessimismus und gar Zynismus vermögen keine Hoffnung zu bringen. Unsere Mitmenschen erwarten zu Recht, dass wir – beginnend in den schwierigen Lebenssituationen, z.B. am Kranken- und Sterbebett – Hoffnung schenken. Wir verkündigen nicht uns selber, nicht eigene Klugheit und Überlebensstrategie. Wir verkündigen Christus, den menschgewordenen Gott, der uns Rettung und Zukunft schenkt.

Papst Franziskus sagte: „Gott kommt zum Heute.“ Der jetzige Augenblick will Einfallstor Gottes zu uns sein. In der Liebe scheint die Transzendenz Gottes auf, wird Gott erfahrbar, wird Hoffnung greifbar.

Das gilt auch für eine als bescheiden und barmherzig erlebbare Kirche. Wir alle wissen um den Graben zwischen Anspruch und Wirklichkeit.

Es stellt sich für uns Insider die Frage: Gehen wir genügend auf die Menschen zu? Ist deren Misstrauen gegenüber Amt und kirchlichen Strukturen nicht eine starke Barriere, die auch das Glauben an Gott erschwert? Ist nicht aufgedecktes schweres Versagen in der Kirche ein weiterer Anlass uns insgesamt zu misstrauen? Einen Nimbus von Heiligkeit aufzubauen, die wir so nicht besitzen, bedeutet das Gegenteil von Bescheidenheit und führt zu Glaubensverlust. Jegliche Form von Überheblichkeit und Klerikalismus ist Anmaßung und trägt zur Spaltung bei. Nicht ohne Grund fordert Papst Franziskus mehr Barmherzigkeit ein: Barmherzigkeit gegenüber allen, Barmherzigkeit, die wir selber ebenso benötigen.

Es ist allenthalben spürbar, dass unsere Kirche barmherziger erfahren werden will. Das kann keine Aufforderung sein, die erkannten Grundwerte aufzuweichen oder gar zu verwerfen. Barmherzigkeit aber will in der Liebe zueinander erfahren werden.

Dazu gehört auch, dass wir uns in der Seelsorge nicht nur auf die Menschen konzentrieren, die regelmäßig praktizieren, sondern dass wir auch an die Ränder der Kirche gehen. Wir müssen unbedingt missionarisch bleiben oder werden. Wir müssen bereit sein, einander zu dienen. Nur über die Liebe erreichen wir die Herzen der Menschen. Das hat uns Johannes eben eindringlich im Evangelium Jesu vermittelt. Er ist der Weinstock, wir sind die Reben (vgl. Joh 15,5-12). Wir können diese Liebe nur leben, wenn sie von Ihm her gespeist wird. So sollen wir gleichsam die Membrane der Liebe Jesu sein. An uns soll man konkret die Liebe Jesu erfahren können. Das ist eine hohe Anforderung, vor der wir kapitulieren müssten, würden wir nicht tatsächlich die Erfahrung machen, dass die Liebe Jesu trägt. Liebe drängt zur Weitergabe.

Erzbischof Zollitsch machte auf unserem Bischofstreffen die Grundstruktur unseres Missionarischseins an unserer Bereitschaft fest, im Sinne Jesu neu aufzubrechen.

Da ist Maria, die Gottesmutter, zu nennen, die sich nach der Empfängnis Jesu auf den Weg zu ihrer Cousine Elisabeth machte, um ihr bei der Geburt des Johannes beizustehen; dann der Samariter, der den überfallenen und geschundenen Menschen zur Herberge brachte, damit er gesund gepflegt werden konnte.

Eine weitere erwähnte Schlüsselgestalt ist auch der heilige Philippus, der vom Geist Gottes die Aufforderung erhielt, dem Wagen des äthiopischen Kämmerers zu folgen. Das Schlüsselwort lautet: „Geh und folge diesem Wagen.“ (Apg 8,29). Philippus tat es und kam mit dem Hofbeamten der äthiopischen Königin über den Propheten Jesaja in ein Schriftgespräch und schließlich zur Verkündigung Jesu Christi. Daraufhin bat der Kämmerer Philippus, ihn zu taufen. (Vgl. Apg 8,26-40)

Das, liebe Schwestern und Brüder, ist der Weg, den auch Gott gegangen ist und weiterhin geht. Gott hat unsere Nähe und die Begegnung mit uns gesucht, indem er Mensch geworden ist. Jesus ist umhergezogen, um den Menschen nahe zu sein und das Evangelium zu verkünden. Seine Begegnungen wurden zum Heil. Er läuft gleichsam dem Karren unseres Lebens hinterher und bleibt unter uns bis zum Ende der Welt in seinem Wort und Sakrament. Er hat uns aufgetragen, ihn auch in unseren Schwestern und Brüdern zu suchen und ihm dort zu begegnen.

Liebe Weihekandidaten: Unsere Mitmenschen warten darauf, Gott auch in uns zu begegnen. Machen wir uns voll Vertrauen auf den Weg! Amen.